© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/18 / 31. August 2018

Vorsicht, Kamera!
Pegida-Demonstration: Weil Polizisten in Dresden ein Fernsehteam kontrolliert haben, entspinnt sich eine zuweilen schrille Debatte über Pressefreiheit in Sachsen
Paul Leonhard

Die Aufnahmen eines Kamerateams des wegen seiner wertenden Berichterstattung bekannten ZDF-Politikmagazins „Frontal 21“ bei einer Pegida-Demonstration in Dresden sind ein sommerliches Lehrstück: über den Umgang von Fernsehjournalisten mit Bürgern, die aus Sicht einiger Medienschaffender auf der falschen Seite stehen; und über die Skandalisierung eines Polizeieinsatzes durch linke Politiker.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) twitterte noch am Tag des Vorfalls: „Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten.“ Das sächsische Innenministerium erläutert: „Wenn Anzeige erstattet wird, egal gegen wen, müssen die Beamten handeln und die Personalien aufnehmen.“

Keine Behinderung der Pressearbeit kann der sächsische CDU-Politiker Marian Wendt erkennen. Die Polizisten hätten rechtsstaatlich gearbeitet, sagte er im Deutschlandfunk. Die Polizisten selbst weisen darauf hin, daß sich das Verfahren auch deshalb über 45 Minuten hingezogen habe, weil die Journalisten immer wieder telefoniert und sie selbst Probleme gehabt hätten, ihre Einsatzzentrale zu erreichen. Und dann habe es die zweite Anzeige gegeben.

Polizeichef bedauert den Vorfall „außerordentlich“

Diese Gemengegelage nutzen Politiker der Linken, SPD und Grünen, um Freistaat und Polizei in die rechte Ecke zu stellen. Von einer „zweifelhaften Haltung mancher Polizeibediensteter zum demokratischen Rechtsstaat und zum hohen Verfassungsgut der Pressefreiheit“ spricht der innenpolitische Sprecher der sächsischen Linken, Enrico Stange. Ob ein Ministerpräsident, der das Handeln der Polizisten als seriös bezeichnet, auf der Seite von Demokratie und Freiheit stehe, fragt Katrin Göring-Eckardt, Fraktionschefin der Grünen im Bundestag. Der Vorfall zeige erneut, daß Sachsen „ein handfestes Problem mit Rechtsextremismus hat“. Daß dann noch Bundesjusitzministerin Katarina Barley (SPD) von „wirklich besorgniserregenden“ Vorgängen in Sachsen spricht, „wirkt dabei schon fast verrückt“, konstatiert die Neue Zürcher Zeitung. Das sei der Ton, den Politiker nach einem schweren Verbrechen anschlagen.

Die Beamten würden sich zur „Exekutive von Pegida“ machen, twittert Arndt Ginzel, der betroffene Journalist. In den sozialen Medien wurde die Polizei daraufhin als „Pegizei“ verunglimpft. Es handele sich um keinen Einzelfall mehr und zeige, daß „der Rechtsstaat in Sachsen immer wieder ins Schlingern gerät und aus der Kurve getragen wird“, sagteder Berliner Extremismusforscher Hajo Funke dem Handelsblatt.

Richtig zum Skandal aufgebauscht wird der Vorfall, als sich herausstellt, daß der gegen die Filmaufnahmen protestierende Mann beim Landeskriminalamt Sachsen angestellt ist. Er soll dort nach Angaben der Welt Gutachten für das Dezernat für Wirtschaftskriminalität erstellen. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) wartet nun auf ein klärendes Gespräch mit dem Mann, der sich im Urlaub befindet: Er erwarte von allen Bediensteten „jederzeit, auch wenn sie sich privat in der Öffentlichkeit aufhalten und äußern, ein korrektes Auftreten“. Dresdens Polizeipräsident Horst Kretzschmar hat sich inzwischen angesichts der Kampagne gegen die Polizei schon mal beim ZDF für seine Beamten entschuldigt. Ihm sei „unverständlich“, warum die Journalisten „so lange“ festgehalten worden seien. Er bedauere dies „außerordentlich“ und habe zugesichert, seine Behörde werde den Vorgang „aufarbeiten“.

Erschüttert über das Ausmaß der Verunglimpfungen zeigt sich Ministerpräsident Kretschmer: „Hier werden viele Dinge vermengt, die so nicht zusammengehören.“ Im Ausland staunt man derweil: „So wie die Medien die LKA-Tätigkeit des Mannes anfangs hervorhoben, konnte man aber fast denken, er sei der Polizeipräsident persönlich“, wundert sich ein Kommentator in der Neuen Zürcher Zeitung. 

Auch rechtlich könnte der Fall noch interessant werden: wenn die Frage geklärt wird, ob  Journalisten Bilder senden dürfen, wenn ihnen der Abgebildete zum Zeitpunkt der Aufnahme das Filmen ausdrücklich untersagt.