© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/18 / 07. September 2018

Acht Prozent Mehrwert
Ausstellung: Kunst im West-Berlin der Achtziger
Christian Dorn

Ausgerechnet, an einem Ort, der gerade kein Überwachungsstaat war, wurde Mutter Theresa 1984 das Metzgerbeil in die Stirn geschlagen. Dies bezeugt die herrlich schräge Assemblage des Künstlerkollektivs Endart um den Maler und Bildhauer Klaus Theuerkauf („Mutter Theresa in Karl Kutta ihr Heil suchend“).

Entstehen konnte solche an ein Kasperletheater erinnernde Arbeit nur im Biotop der eingemauerten Frontstadt West-Berlin, wie die aktuelle Schau „Berlinzulage“ im Künstlerhaus Bethanien zeigt. Der Titel verweist auf die steuerfreie Gehaltszulage von acht Prozent, die damals jeder Arbeitnehmer erhielt. Selbständige konnten für ihre Investitionen in Gebäude und Maschinen gar bis zu 25 Prozent Förderung erhalten. Hierdurch sollte die „natürliche“ Abflußbewegung des Kapitals aus der Frontstadt verhindert werden. Dabei waren es – wie Anne Peschken und Marek Pisarsky von Urban Art betonen – „im Prielwasser des sich im Rückzug befindlichen Kapitalismus eher unangepaßte Charaktere, die angespült wurden“. In diesem Sinne schuf die Berlinzulage als „Mehrwert“ ein Biotop abseitiger, nonkonformer Kunstschaffender, deren Aktivitäten zu einer enormen Weitung des Kunstbegriffs und zu einer Dehnung des öffentlichen Raums führten.

Vor diesem Hintergrund erscheint dieses Ausstellungsprojekt zugleich als eine ebenso skurrile wie informative Geschichtsreise, auch dank des prächtig gestalteten Katalogs. Er enthält zahlreiche Aufnahmen des West-Berliner Stadtlebens, die einen unvermittelt in die Zeit der eingemauerten Stadt eintauchen lassen, ebenso dank Filmen wie Rosa von Praunheims „Stadt der verlorenen Seelen“ (1983) oder Kain Karawahns Ausschnitt von seiner 1984 inszenierten, illegalen wie spektakulären Inbrandsetzung der Mauer als „The Berliner Summernightdream“. 

Die Ausstellung „Berlinzulage“ ist noch bis zum 16. September im Künstlerhaus Bethanien, Kottbusser Straße 10, täglich außer montags von 14 bis 19 Uhr zu sehen.  Tel: 030/ 616  90 3 – 0

Der Katalog mit 560 Seiten und zahlreichen Abbildungen kostet in der Ausstellung 40 Euro.

 www.bethanien.de