© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/18 / 14. September 2018

Schamverletzend
Frühsexualisierung: Die Initiative „Demo für alle“ warnt vor Indoktrination an Schulen
Sandro Serafin

Zu übersehen ist er nicht. Knallig orange leuchtet der „Bus der Meinungsfreiheit“, an dessen Karosserie mit großen Lettern der Hinweis „Schützt unsere Kinder“ angebracht ist, vor dem Bahnhof am Potsdamer Platz in Berlin. Vornehmlich junge Aktivisten verteilen auf dem historischen Areal eifrig Flugblätter gegen die „Frühsexualisierung an deutschen Schulen“. Einige Passanten laufen verwundert vorbei, andere zeigen Interesse, man kommt ins Gespräch.

Am vergangenen Samstag startete der auffällige, als „mobiles Plaket“ gedachte Bus zu einer erneuten Deutschlandtour in Regensburg. Bereits im vergangenen Jahr waren die Initiatoren der „Demo für alle“ und der Kampagnenplattform „CitizenGo“ quer durch Deutschland gereist, um auf die Gefahren der Frühsexualisierung von Kindern aufmerksam zu machen und beim Bundeskanzleramt eine Petition mit rund 220.000 Unterschriften gegen die „Ehe für alle“ einzureichen. Neben den weiteren Haltestellen Dresden, Berlin, Fulda, Köln und Wiesbaden will sich die Gruppe am Freitag auch am Stuttgarter Marktplatz einfinden, um am Samstag die Tour in der bayerischen Landeshauptstadt München zu beschließen.

Im Zentrum der diesjährigen Kampagne: die „schamverletzende und übergriffige Sexualpädagogik der Vielfalt“, wie es in einer Petition an den Präsidenten der Kultusministerkonferenz heißt. „Diese vom Ansatz her unwissenschaftliche Pädagogik ist im Grundprinzip heute in allen Bundesländern im Lehrplan vorhanden“, beklagt die Initiatorin und Organisatorin der seit 2014 aktiven „Demo für alle“, Hedwig Freifrau von Beverfoerde, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. „Und sie ist auch pädophil kompromittiert“, verweist die dreifache Mutter auf den Sexualpädagogen Helmut Kentler. 

Der trat seit Ende der 60er Jahre für eine „neoemanzipierende Sexualerziehung“ und die Legalisierung von Sex mit Kindern ein. Die moderne Sexualpädagogik beruht auf den Ideen des inzwischen verstorbenen Kentler und seines Vertrauten Uwe Sielert („Lisa und Jan“). Sielert macht sich für eine „Entnaturalisierung“ von Heterosexualität und Kernfamilie stark. Anfang der 90er Jahre arbeitete er für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), deren sexualpädagogischen Ansatz er laut der „Gesellschaft für Sexualpädagogik“ (gsp) entscheidend prägte. Laut Vertretern der heutigen Sexualpädagogik haben sich moderne Sexualpädagogen „ausdrücklich von der die Päderastie gutheißenden Position Kentlers“ distanziert, wie es etwa von seiten der gsp heißt, in deren Vorstand auch Sielert sitzt.

„Die CDU ist knallhart geblieben“

Obwohl das Thema derzeit in den Medien nicht vorkomme, sei es „nach wie vor total virulent“, so Beverfoerde. Für die anstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen wolle man daher mit der Sexualerziehung ein Wahlkampfthema setzen. „Wir verfolgen aber keine parteipolitische Zielsetzung“, betont die 55jährige. „Wir freuen uns über jede Partei, die unser Anliegen aufnimmt.“

In Hessen hatte die schwarz-grüne Landesregierung unter Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) 2016 einen neuen „Lehrplan Sexualerziehung“ in Kraft gesetzt. Als Ziel schulischer Sexualerziehung steht seitdem unter anderem die „Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intersexuellen Menschen (LSBTI)“ im Lehrplan. Für die Altersgruppe der 6- bis 10jährigen ist die Beschäftigung mit „kindlichem Sexualverhalten – ich mag mich, ich mag dich“ verbindlich vorgeschrieben. 

Mehrfach demonstrierte die „Demo für alle“ deshalb in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden. „Aber die CDU ist knallhart geblieben“, klagt Ex-CDU-Mitglied Beverfoerde. „Deshalb müssen wir da auch wieder hin.“

Auch im CSU-regierten Bayern waren 2016 neue Richtlinien zur Sexualerziehung auf Widerstand der „Demo für alle“ gestoßen. Nach einem Gespräch mit „Demo für alle“-Vertretern entschärfte der Kultusminister den Entwurf und ersetzte unter anderem den Begriff „Akzeptanz“ durch „Respekt“. Im Landtag sorgte der Vorgang bei Vertretern der linken Parteien für helle Aufregung. „Für unsere Gegner war das das Schlimmste“, sagt Beverfoerde.

In Sachen „Ehe für alle“ konnte die „Demo für alle“ ihr Ziel einer Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht jedoch nicht erreichen. „Wir glauben, daß die CSU-Regierung dies trotz Ankündigung nie wirklich vorhatte“, spekuliert Beverfoerde. Die bayerische Landesregierung hatte mit den geringen Erfolgsaussichten im Falle einer Klage argumentiert. 

Wie bereits im vergangenen Jahr mobilisierten auch in diesem Jahr linke Bündnisse gegen den „Bus der Meinungsfreiheit“. Sie werfen den Veranstaltern „Skandalisierungen und Verleumdungen gegen eine LSBTIQ-freundliche Sexualpädagogik“, die „Verbreitung von Unwahrheiten über Sexualerziehung“ sowie eine Nähe zur AfD vor. 

„Das hält uns aber überhaupt nicht davon ab, mit dem ‘Bus der Meinungsfreiheit’ durch Deutschland zu fahren“, gibt sich Beverfoerde selbstbewußt. Es gehe nicht nur um die große Öffentlichkeit und die Politik. „Wir wollen einfach Menschen erreichen und mit ihnen über unser Anliegen ins Gespräch kommen.“ Teilweise, wie etwa beim Stopp in Dresden, gelinge das sogar mit Gegendemonstranten, erzählt Beverfoerde. 

In Berlin ist von Gegendemonstranten nur kurz etwas zu sehen. Etwa zehn buntgekleidete Personen positionieren sich nach Ankunft des Busses in Sichtweite. Ihr einsetzender Protest wird von der Polizei jedoch nach wenigen Sekunden unterbrochen. Eine vorab angemeldete Gegendemonstration sei schließlich abgesagt worden, heißt es kurz und bündig. Die anschließende Kundgebung verläuft ohne Zwischenfälle.