© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/18 / 14. September 2018

Politthriller in Stockholm
Schweden: Das Ergebnis der Reichstagswahl macht das Regieren nicht leichter / Schwedendemokraten als Zünglein an der Waage
Christoph Arndt

So richtig freuen konnte sich Jimmie Åkesson nicht. Seine rechtskonservativen Schwedendemokraten (SD) verpaßten bei der Reichstagwahl die angepeilten 20 Prozent. Doch konnten sie knapp fünf Prozenpunkte zulegen und seien die „wirklichen Gewinner“ der Wahl. Optimistisch verkündete der 39jährige SD-Vorsitzende, daß die Partei nun mehr Einfluß auf die schwedische Politik haben werde. 

Doch wer wird Schwedens Politik künftig bestimmen? Die eigentliche Frage ist, wie aus dem unübersichtlichen Ergebnis eine handlungsfähige Regierung gebildet werden kann? Zur Wahl stand die vom Sozialdemokraten Stefan Löfven geführte rot-grüne Minderheitsregierung (Rote Allianz), die von der Blauen Allianz, einem Bündnis der traditionellen bürgerlichen Parteien, herausgefordert wurde. 

Etablierte Altparteien lassen weiter Federn 

Ergebnis: Die beiden Alt-Regierungsparteien Sozialdemokraten (S) und konservative Moderaterna (M) verloren jeweils etwa drei Prozent. Für die Sozialdemokraten bedeuten die 28,4 Prozent das schwächste Resultat seit 1911. Großer Gewinner waren die Schwedendemokraten, die zwar 17,6 Prozent erreichten, aber daran scheiterten, die Moderaterna als größte bürgerliche Partei abzulösen. Überraschend stark präsentierten sich die Christdemokraten (KD), die die Vierprozentsperrklausel klar überwanden. Zugewinne verzeichneten zudem die sozialliberale Zentrumspartei (C) sowie die sozialistische Linkspartei (V). Die Liberalen (L) stagnierten bei 5,5 Prozent, während die Umweltpartei/Die Grünen (MP) als Juniorpartner in Stefan Löfvens Minderheitsregierung ebenfalls abgestraft wurde und nur knapp über vier Prozent erzielte.

Die Mandatsverteilung ergibt zwei in etwa gleich große Blöcke. Sowohl das linke Lager aus SAP, MP und V als auch die Allianz aus M, C, KD und L kommen auf 144 respektive 142 Mandate. Somit hat kein Lager eine Mehrheit ohne die Mandate der Schwedendemokraten, die so Zünglein an der Waage bei der Wahl des Ministerpräsidenten sein könnten. 

Schwedens Politikanalysten zufolge ist die Konsequenz der Wahl eine historisch unsichere parlamentarische Situation, da keine traditionelle Regierungskonstellation eine Mehrheit hat, nahezu alle Parteien aber eine formelle Zusammenarbeit mit den SD kategorisch ausgeschlossen haben. Die kommenden Wochen dürften daher laut Sveriges-Television-Kommentatorin Elisabeth Marmorstein ein „politischer Thriller“ werden. Dagens Nyheter verweist zudem darauf, daß eine Kooperation mit den SD sowie nahezu alle anderen mehrheitsfähigen Konstellationen einen Bruch von Wahlversprechen  aller Parteien darstellen würden.

So kündigte Löfven (S) an, als Ministerpräsident weitermachen zu wollen. Die Blaue Allianz bestand im Gegenzug darauf, eine bürgerliche Regierung ohne SD zu bilden, und Åkesson betonte, daß die SD keine „Türmatte“ für eine künftige Regierung seien und notfalls einen Ministerpräsidenten oder einen Haushalt zu Fall bringen würden, wenn sich andere Parteien nicht zu ordentlichen Verhandlungen mit den SD bereit zeigten.