© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/18 / 14. September 2018

Jetzt sind auch die Benziner dran
Verkehrspolitik: Das Verwaltungsgericht Wiesbaden erläßt umfangreiches Fahrverbot für Autos mit Verbrennungsmotor in Frankfurt/Main
Jörg Fischer

Nach Hamburg, Stuttgart, Düsseldorf und Aachen kann der Abmahnverein Deutsche Umwelthilfe (DUH) nun auch in Hessen jubeln: Das Verwaltungsgericht Wiesbaden (VGW) hat das Bundesland zur „Einführung eines zonenbezogenen Fahrverbots“ für die 750.000-Einwohner-Metropole Frankfurt am Main verpflichtet. Der Luftreinhalteplan von 2011 habe unzureichende Maßnahmen „zur Verbesserung der Luftsituation vorgesehen, um den Grenzwert für Stickoxide von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter einzuhalten“. 

Wegen der „starken Gesundheitsgefährdung der Innenstadtbewohner, der Fahrradfahrer, der Fußgänger und Insassen der durchfahrenden Fahrzeuge“ verpflichtete das VGW das Land, ein „Fahrverbot für Dieselfahrzeuge einschließlich der Klasse Euro 4 und Benziner mit der Euro-Norm 1 und 2 bereits ab dem 1. Februar 2019 vorzusehen“. Diesel-Besitzer der Baujahre 2011 bis 2015 sind sieben Monate später dran: Für Euro-5-Diesel soll das Fahrverbot zum 1. September 2019 kommen. Bei Ausnahmen seien „durch zeitliche Begrenzung derselben sowie durch entsprechende Höhe der Gebühren deutliche Anreize zur Um- oder Nachrüstung zu setzen“ – sprich: Eine Gnadenfrist wird teuer. Genauso wie die verlangte „Park­raumbewirtschaftung“, denn die müsse „zusätzliche Anreize für den Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr“ setzen. Nur für Behinderte müsse noch „preiswerter Parkraum vorgehalten werden“.

Wer glaubt, der 40-Mikrogramm-Grenzwert sei eine Schikane von Grünen-Fundis oder der US-Umweltbehörde EPA, die es auf die Milliarden-Gewinne der deutschen Autoindustrie abgesehen hat, der irrt: Der Wert wurde 1999 auf Vorschlag der EU-Kommission von den Mitgliedstaaten (darunter von Autokanzler Gerhard Schröder) beschlossen und 2008 unter Angela Merkel bestätigt (Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG).

Gebrauchtwagenfahrer haben keine Lobby

Auch erneute Klagen gegen die faktische Enteignung von Autobesitzern dürften erfolglos sein, wie die inzwischen höchstrichterlichen Urteile zu den ab 2007 eingeführten Umweltzonen in Großstädten zeigen: Die Kennzeichnungsverordnung zum Immissionsschutzgesetz (35. BImSchV) sperrt Diesel-Pkws unterhalb der – erst seit 2006 eingeführten – Euro-4-Norm dauerhaft aus. Es gibt nur eine Ausnahme: Nachgerüstete Euro-3-Diesel mit Partikelfilter erhielten auch eine „Grüne Plakette“.

Daß Gebrauchtwagenfahrer keine Lobby haben, liegt aber nicht nur an der „starken Gesundheitsgefährdung der Innenstadtbewohner“, sondern vor allem an der ökonomischen Interessenlage – jedes zusätzlich verkaufte Fahrzeug läßt die Autokonzernkasse klingeln. Und bei einem Neuwagendurchschnittspreis von 30.250 Euro kassierte der Fiskus 2017 in Deutschland 5.747 Euro Mehrwertsteuer.

Der technische Fortschritt und der internationale Wettbewerb haben dafür gesorgt, daß die Lebensdauer von Pkws seit 1980 kontinuierlich gestiegen ist: Waren damals in der Bundesrepublik zugelassene Autos im Schnitt nur 5,3 Jahre alt, so sind die 2018 in Deutschland zugelassenen 46,5 Millionen Pkw laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) im Schnitt 9,4 Jahre alt. Autos von Audi, BMW, Mercedes, Toyota oder Volvo werden – dank Vollverzinkung und standfester Motoren – im Schnitt erst nach 19 Jahren verschrottet. Bei Honda und Mitsubishi beträgt die Lebensdauer 22 Jahre. Bei Spitzenreiter VW sind es – vor allem wegen der guten Ersatzteilversorgung – sogar 26 Jahre.

Das steigende Durchschnittsalter schont den Geldbeutel der Autobesitzer und freut das freie Kfz-Gewerbe. Da alle zwei Jahre TÜV und Abgasuntersuchung fällig sind, ist für die Verkehrssicherheit und die Umwelt vorgesorgt. Und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) gibt in seiner „Ökobilanz Auto“ zu bedenken: „In den Gebieten Ressourcenverbrauch und Stoffstromanalysen arbeitende Wissenschaftler empfehlen, das aufwendige Produkt Auto so lange wie möglich zu nutzen. Denn bei der Gewinnung der zu seiner Herstellung nötigen Rohstoffe entstehen erhebliche Umweltschäden, seine Produktion ist energieintensiv, und in den Produktionshallen werden zahlreiche problematische Stoffe eingesetzt.“

Dennoch kommen nach den Umweltzonen nun die Stickoxid-Grenzwerte als neuer Ausmusterungsgrund hinzu. Zu Jahresanfang gab es 15,2 Millionen Diesel-Pkws in Deutschland – 11,4 Millionen davon erfüllen nur die Abgasnorm Euro 5 und darunter. Sie werden vom Frankfurter Fahrverbot erfaßt. In Hessen sind analog ein Viertel der 1,2 Millionen Diesel-Pkws betroffen. Wie viele der 30,5 Millionen Benziner in Deutschland künftig von den neuen „zonenbezogenen Fahrverboten“ erfaßt werden, läßt sich noch nicht abschätzen, da es laut KBA unterhalb der Euro-3-Norm nicht nur die explizit ausgewiesenen 1,4 Millionen Euro-2-Benziner gibt, sondern insgesamt 4,6 Millionen mit kryptischen Bezeichnungen wie D4, D3, 96/69 EG I-III, 93/59/EG I-III, E2 und anderen.

Wer nun von einem Diesel auf einen angeblich sparsamen Benzin-Direkteinspritzer (DI) umsteigt, ist dennoch nicht auf der sicheren Seite: DI-Motoren stoßen prinzipbedingt gefährlichen Ultrafeinstaub aus – das weiß nicht nur die DUH. Ottopartikelfilter (OPF) werden aber erst seit 2017 in einigen Neuwagen angeboten (Euro 6c). Immerhin sind die Hybridversionen von Toyota oder hubraumstarke SUV und Pickups für den US-Markt dank ihrer Benzin-Saugmotoren auch ohne OPF feinstaubarm.

Urteil zum Luftreinhalteplan für die Stadt Frankfurt am Main (Az.: 4 K 1613/15.WI):  verwaltungsgerichtsbarkeit.hessen.de/