© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/18 / 14. September 2018

Geht nicht unter euer Niveau!
Rezensionen: Ein Schweizer Online-Magazin will sich wieder ganz auf Kulturkritiken besinnen
Richard Stoltz

Tapferer Entschluß. Barbara Villiger Heilig, ehemalige Verlagslektorin, Lehrerin und ein Vierteljahrhundert lang Feuilletonredakteurin der Neuen Zürcher Zeitung, baut nun für das Schweizer Online-Magazin Republik (www.republik.ch) einen Kulturteil auf, und zwar einen, der einzig und allein der Kritik gewidmet sein soll. So sollen die Beiträge beispielsweise nur „über“ Schriftsteller berichten, nie und nimmer „mit“ ihnen Gespräche über ihre neuen Werke führen.

Die Kulturressorts der Medien, klagt Frau Villiger Heilig, „betreiben beinahe eine neumodische Variante von Feigenblatt-Strategie. Anstelle der Buchrezension bringt man ein Interview mit der Autorin. Den Filmessay ersetzt der Besuch beim Regisseur daheim im Kreise seiner Katzen. Statt eine Theaterpremiere zu besprechen, publiziert man das Porträt der – wahlweise – ältesten oder jüngsten Schauspielerin im Ensemble.“

Man darf sehr gespannt darauf sein, wie sich republik.ch weiter entfalten wird. Villiger Heiligs Vorankündigung mag übertrieben und zum guten Teil der Eigenreklame gewidmet gewesen sein, aber im Grunde hat sie ja recht! Unser ganzer moderner Literaturbetrieb dreht sich tatsächlich fast nur noch um das „Wer“, kaum noch um das „Was“. Man gewinnt immer öfter den Eindruck, der Autor habe sein Opus nur verfaßt, um wieder einmal in die Medien zu kommen und sich dort über sich selber gründlich auskrakeelen zu können. Und auch den fragenden „Kritikern“ scheint es nur noch um Selbstpräsentation zu gehen.

Nun, die „Kritiker“ mögen von solchem Treiben wohl profitieren und ihren Geschäftswert dadurch steigern. Doch die Autoren blamieren sich dabei nur, auch wenn sie vom Gegenteil überzeugt sind. Ihr neues Werk, das scheinbar mit größter Ausführlichkeit angepriesen wird, verliert rapide an Wert. Potentielle Leser sagen sich: Was mit soviel Wortmüll übergossen wird, kann nicht viel wert sein.

Wie sprach einst der Jahrhundertautor Ernst Jünger? „Wer sich selbst kommentiert, geht unter sein Niveau.“ Was er nicht bedachte, war die Tatsache, daß ein Autor erst einmal ein Niveau haben muß, unter das er gehen kann.