© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/18 / 14. September 2018

„It Must Schwing“
Filmdoku: Die Geschichte des Jazz-Labels Blue Note
Christian Dorn

Das erinnerte mich an 1938.“ Damit beschreibt die deutsche Jazz-Legende, Klarinettist Rolf Kühn, der in den USA mit den seinerzeit bekanntesten Größen der Jazz-Geschichte zusammenspielte, ein Birdland-Konzert von 1957: Während er selbst im Hotel schlief, mußten die eigentlichen Gründerväter des Jazz, die afroamerikanischen Kollegen Bud Powell, Sarah Vaughan, Billie Holiday und andere im Bus schlafen.

Anlaß für diese Erinnerung ist die Berliner Filmpremiere von „It Must Schwing!“, welche die so berührende wie unerhörte Geschichte des Jazz-Labels Blue Note erzählt und sie durch intelligent eingesetzte Animationen nachzeichnet. Denn an dieser Wiege des modernen afroamerikanischen Jazz, ja, sogar an jener der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung stehen zwei Deutsche: Alfred Lion und Frank („Francis“) Wolff, zwei junge Emigranten aus Berlin, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft Ende der dreißiger Jahre aus Deutschland geflüchtet waren.

Es ging den Gründern nicht um den Profit

In New York gründeten sie 1939 das Label Blue Note Records, welches das Who’s who der Jazz-Musik entdeckte und produzierte, etwa Miles Davis, Herbie Hancock, John Coltrane, Bud Powell, Art Blakey, Chet Baker, Thelonious Monk, Sonny Rollins, Wayne Shorter oder Quincy Jones.

Geradezu als Apotheose erzählt wird dieser Gründungsakt, diese „Schöpfungsgeschichte“, von dem ausgezeichneten Dokumentaristen Eric Friedler. Besonders eindrücklich wirkt die Visualisierung des von Billie Holiday interpretierten Songs „Strange Fruit“, dem Synonym für Lynchmorde – einer Szene, die die Aufführung des Films in den USA heute unmöglich mache, so der Regisseur.

Wie eine unfreiwillige Ironie wirkt das Arbeitsethos der beiden Label-Gründer, die einen unverwechselbaren Aufnahmestil und Sound entwickelten. Es ging ihnen nicht um den Profit, sondern den tiefen Glauben an menschliche und künstlerische Freiheit. In diesem Sinne erscheint das Wort Richard Wagners geradezu leitmotivisch: „Was Deutsch sei, nämlich: die Sache, die man treibt, um ihrer selbst und der Freude an ihr willen treiben.“ So ermahnten Lion und Wolff ihre Musiker in den Studio-Sessions wiederholt mit den Worten: „It must schwing!“

Filmvorführungen mit dem Regisseur:  14.09. Leipzig, 15.09. Düsseldorf, 16.09. Hamburg, 20.09. Stuttgart, 21.09. München, 23.09. Bad Krozingen, 24.09. Kenzingen, 25.09. Titisee-Neustadt

 https://itmustschwing.com