© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/18 / 14. September 2018

Fernsehen war gestern
Ob Streamingdienste oder Video-Funktionen: Der Markt mit bewegten Bildern ist hart umkämpft
Christian Schreiber

Der Bewegtbild-Markt ist stark in Bewegung. Der Internet-Gigant Facebook startet einen Angriff auf die jahrelange Dominanz von Youtube. Bereits vor einem Jahr wurde in den USA die Video-Plattform Watch ins Leben gerufen. Nach dieser Testphase ist das Projekt nun in fast allen europäischen Ländern angelaufen. Bei Watch werden Videos aus Facebook an einem Ort gebündelt. Facebook zeigt aber auch an, welche Videos Freunden gefallen haben oder von ihnen geteilt wurden. 

Der Konzern lockt Mediapartner und Nutzer mit finanziellen Anreizen. So sollen die Produzenten Geld mit Werbepausen verdienen können, Facebook behält allerdings 45 Prozent der Werbeerlöse. Langfristig will das soziale Netzwerk auch in der Fernsehbranche Fuß fassen. Das Unternehmen von Mark Zuckerberg verspricht den Nutzern sogenannte „Lagerfeuermomente“. Dafür soll eine Reihe von Programmen sorgen, die nach und nach eingeführt werden. Dazu zählen beispielsweise „Watch-Parties“, bei denen Facebook-Gruppen gemeinsam Videos schauen können. Außerdem sollen Live-Videos leichter zu finden sein, damit die Nutzer sich über aktuelle Ereignisse austauschen können. „Das Schauen von Videos“ soll so laut Facebook-Funktionär Fidji Simo „kein passives Erlebnis sein“.

Auch ProSieben und RTL greifen nach dem Kuchen

Bisher werden bei Watch nur Videos von verifizierten Nutzern und von Seiten mit mehr als 5.000 Anhängern angezeigt. Dazu gehören Nachrichtenportale wie Spiegel Online oder TV-Sender wie ARD und ZDF, aber auch Fußball-Clubs wie Borussia Dortmund. Gleichzeitig wollen besonders US-amerikanische Medien wie Bloomberg, die New York Times oder die Washington Post ihr Bewegtbild-Angebot über Facebook-Live, Youtube, Twitter und das früher hauptsächlich auf Videospiele spezialisierte Videoportal Twitch ausbauen. Schon jetzt sendet die Post über 175 Events im Monat auf Facebook-Live, künftig sollen Reporter eigene Inhalte von ihren Reisen und Recherchen produzieren.

Auch die Facebook-Tochter Instagram präsentierte kürzlich ein neues Videoformat, das sowohl in die reguläre App integriert ist als auch als Einzelprogramm zur Verfügung steht. Instagram-Nutzer können über IGTV eigene Videos in einer Länge von bis zu einer Stunde veröffentlichen. Bislang konnten lediglich Kurz-Sequenzen bis zu einer Minute gepostet werden. Mit dem neuen Format attackiert Instagram neben Youtube auch Snapchat und stellt die Weichen für Show-Formate, Musikvideos und Hochglanzinhalte auf der einstigen Fotoplattform.

Allerdings ist Youtube ebenfalls recht umtriebig, wenn es um Marktanteile geht. Neben dem Musik-Streamingdienst „Youtube Music“ startete Googles Videoplattform im Sommer das werbefreie Video-on-Demand-Konzept „Youtube Premium“ (für 11,99 Euro pro Monat) und tritt damit in direkte Konkurrenz zu Netflix und Amazon Prime. Das Unternehmen möchte die Bekanntheit einiger Youtube-Stars nutzen, die ab Herbst eigene Shows erhalten sollen. Gleichzeitig wetteifert eine neue Allianz von ProSiebenSat.1 und dem US-Anbieter Discovery um die Streaming-Kunden. Das Bundeskartellamt genehmigte Ende Juli die Erweiterung um die Angebote Eurosportplayer und Maxdome – eben weil der Markt für Bezahlvideos laut Kartellamts-Präsident Andreas Mundt gegenüber Meedia stark expandiere und „mit Amazon, Netflix, iTunes und auch Sky sowie mit öffentlich-rechtlichen Angeboten potente Wettbewerber aufweise“. 

Die angesprochenen Öffentlich-Rechtlichen versuchen derweil ebenfalls, ein Stück vom Kuchen der nonlinearen Bewegtbilder abzubekommen. Immerhin legte laut einem aktuellen Bericht der Medienanstalten Video-on-Demand 2018 in Deutschland um fast 30 Prozent zu, während die TV-Nutzung um 6,1 Prozent zurückging. Moderner und persönlicher soll daher die ARD-Mediathek künftig sein, deren Beta-Version die Sendeanstalt auf der diesjährigen IFA in Berlin vorstellte. Die neue Einheits-Mediathek bündelt alle Kanäle der ARD und soll für die gängigen mobilen Endgeräte optimiert sein. Der große Vorteil der ARD: Aufgrund der Finanzierung durch den Gebührenzahler kann der Sender wie auch das ZDF die gesamten Inhalte kostenfrei halten. 

Doch die private Konkurrenz schläft nicht. Die Deutsche Telekom will ebenfalls ihr Streaming-Angebot „Entertain TV Serien“ massiv ausbauen. So plant die Telekom exklusive Inhalte und bereits ab Oktober eigene Produktionen, um gegen die US-Konkurrenz sowie die europäischen Mitbewerber zu bestehen. Den Anfang soll eine Serie mit dem Arbeitstitel „Germanized“ mit Christoph Maria Herbst machen, die ausgerechnet zusammen mit Amazon produziert wird. Damit würde die Telekom dem Privatsender RTL zuvorkommen, der angekündigt hatte, seine Mediatheken-Plattform TV Now auszubauen und ebenfalls Bezahl-Angebote samt eigenen Projekten bereitzustellen.