© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/18 / 21. September 2018

CD-Kritik: J.S. Bach – Steffen Schleiermacher
Lückenschlüsse
Jens Knorr

Von Bachs Markus-Passion BWV 247 ist vollständig nur das Libretto überliefert. Weil Bach die Passion wohl im Parodie-Verfahren verfertigt hatte, ließen sich einige Nummern rekonstruieren. Die fehlenden hat der Leipziger Komponist, Dirigent und Pianist Steffen Schleiermacher, ein unermüdlicher Sachwalter der sogenannten Neuen Musik, nicht einfach nur ergänzt. Seine Vertonungen von Texten, die ihm der Theologe, Dichter und Librettist Christian Lehnert geliefert hat, suchen den Dialog mit Bach.

Doch Lehnerts die Passion Christi reflektierende Dichtung erweist sich als für Musik undurchlässig; die muß Schleiermacher ihr überziehen. Dessen musikalische Kommentare überlagern sich in ihren starken Momenten mit Bachs Musik und erinnern in ihren schwächeren an unselige DDR-Kantaten-Tradition.

Mit teils salbungsvollem Ton schleichen die Merseburger Hofmusik, das Collegium Vocale Leipzig und Gesangssolisten – mittlere Sänger ohne Beredsamkeit – unter Michael Schönheit durch die Partituren. Ihr sterbenslangweiliger, aseptisch oratorischer Gestus verfehlt beide. Die tun nichts, die wollen nur ökumenisch bewegen!

Sollte mit der hier dokumentierten Uraufführung im Merseburger Dom von 1916 das letzte Wort über Steffen Schleiermachers Lückenschlüsse schon gesprochen sein?

Bach, Schleiermacher Nach Markus. Passion  Paschenrecords 2017  www.paschenrecords.de