© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/18 / 21. September 2018

Oase der Männlichkeit
Beim Timbersport frönen Holzfäller-Athleten Körperkraft und Geschick
Boris T. Kaiser

Das Maskuline hat in diesen Zeiten ein Imageproblem. Das Feminine scheint sich dagegen seit langem auf einem schier unaufhaltsam wirkenden Siegeszug zu befinden. Die Männer des Westens sind in den letzten Jahrzehnten immer mehr verweiblicht. Beginnend mit dem Hang zum Androgynen, gefördert durch Mode und Musik, über die sogenannte Metrosexualität eines David Beckham bis hin zum Transgender-Star, der in Pumps und Paillettenkleid zu „Everybody’s Darling“ wird; auch wenn er sich dabei vielleicht, frei nach Franz Josef Strauß, zu „Everybody’s Depp“ macht.

Fernab des ach so modernen Mainstreams gibt es aber noch Nischen, in denen man noch Mann sein darf. Enklaven der Maskulinität in der ansonsten durch und durch feminisierten Moderne. Eine dieser Oasen der ungeschmälerten Manneskraft ist Timbersport. Hier frönen kernige Naturburschen voller Freude, und eben ganz natürlich und naturverbunden, ihrer Männlichkeit. Bei den, vor allem in den USA und Kanada sehr beliebten, Holzfäller-Wettbewerben mischt auch ein deutsches Unternehmen ganz vorne mit. 

Das schwäbische Forstwirtschaftsunternehmen STIHL hat die Wettkämpfe seit 1985 in Nordamerika professionalisiert. Mittlerweile veranstaltet der Weltmarktführer unter den Motorsägen-Herstellern auch Wettbewerbe in der Schweiz, in Deutschland und in anderen europäischen Ländern. Seit der ersten Europameisterschaft im Jahr 2002 kommt der Sport, dessen Ursprünge eigentlich in Neuseeland und Australien liegen, auch endgültig immer mehr auf dem alten Kontinent an. An der WM 2013 in Stuttgart nahmen bereits über 20 verschiedene Nationen teil. 

Anders als die klassischen Berufsmeisterschaften sind die auf Spektakularität ausgerichteten Wettkämpfe der „Stihl Timbersports Series“ oft weit von der tatsächlichen Arbeit eines Berufsholzfällers entfernt.

Bei dem Spektakel geht es durchaus nicht ungefährlich zu. Athleten, die in Sandalen auf einem Baustamm stehen, auf den sie kraftvoll mit einem Beil einschlagen, gibt es bei den Top-Profis zwar heute nicht mehr, beim Anblick von Disziplinen wie Axtwerfen oder dem Balancieren auf schwimmenden Baumstämmen dürfte es so manchem Berufsgenossenschaftler aber noch immer eiskalt den Rücken herunterlaufen.

Seit 2016 gibt es eine Meisterschaft für Damen

Topstar unter den deutschen „Lumberjack-Athleten“ ist der Winterberger Dirk Braun. Der gelernte Forstwirt, der in den 1990er Jahren auch schon Erfolge als Deutscher Meister und Europameister im Bodybuilding feierte, holte 2007 als erster Deutscher den Europameistertitel bei den Holzfällern. Diesen konnte er im Folgejahr erfolgreich verteidigen. Bei der Weltmeisterschaft in Virginia Beach belegte Braun Platz fünf und war damit bester Europäer. Bei der WM 2011 in Roermond wurde der dreifache Familienvater sogar Vierter. Hinzu kommen etliche Titel als Deutscher Meister.

Doch auch auf diese Insel der zelebrierten Maskulinität zieht es inzwischen Frauen, die den körperlich anspruchsvollen Sport betreiben. 2016 fand die erste Deutsche Meisterschaft der Damen statt. Gewonnen hat diese die Niddatalerin Svenja Bauer, die ihren Titel vergangenen Monat verteidigen konnte. In der Welt der Holzfäller sind Frauen allerdings auch heute noch Ausnahmeerscheinungen. Wenn sie wirklich etwas drauf haben, sind sie mittlerweile aber voll akzeptiert. Auch wenn die Timbersports-Pionierin anfangs natürlich für einige Verwunderung sorgte, wie sie selbst erzählt. „Inzwischen ist das aber kein Problem mehr. Wir haben uns alle aneinander gewöhnt. Die Männer haben großen Respekt vor meiner Leistung“, sagte Bauer nach ihrer ersten Teilnahme an einer Weltmeisterschaft in den USA gegenüber der Onlineplattform ze.tt. 

Weniger kernig oder gar verweichlicht wurde der Sport dadurch nicht. Echte Männer haben ein gesundes Selbstbewußtsein und neigen nicht zu übertriebener Anpassung. Wer sich seiner Männlichkeit in dieser Weise selbst bewußt ist, hat aber eben auch keine Angst vor starken Frauen.