© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/18 / 28. September 2018

Ein halbes Jahrhundert Jumbo-Jet
Flugzeugindustrie: Der riesige Airbus A380 ist bei weitem nicht so erfolgreich wie die legendäre Boeing 747
Fabian Schmidt-Ahmad

Während sich die Bundesregierung darüber freut, daß die Fluggesellschaften ab 2021 teure CO2-Emissionszertifikate kaufen müssen und die Grünen exorbitante Steuererhöhungen für den Luftverkehr verlangen (JF 39/18), hat der EU-Branchenprimus Airbus ganz andere Sorgen: Es gibt zwar über 4.100 Bestellungen für den Mittelstreckenjet A320neo und 1.985 für die längere A321neo, aber die Probleme mit den amerikanischen PW1100G-Triebwerken von Pratt & Whitney halten an (JF 16/18). Nun berichten Piloten von ungewöhnlichen Vibrationen, was zu weiteren Auslieferungsverzögerungen führen könnte.

Und damit nicht genug: Nach nur acht Monaten wird Verkaufschef Eric Schulz durch Christian Scherer ersetzt. Der 56jährige Luftfahrtmanager steigt in die Fußstapfen von John Leahy, der im Januar mit 67 Jahren in Rente ging. Der irischstämmige US-Manager kam 1985 zu Airbus und wurde 1994 Verkaufschef. In den folgenden 24 Jahren verbuchte er über 16.000 Flugzeug-Bestellungen im Wert von mehr als einer Billion Dollar. Sogar die Rettung des größten Zivilflugzeugs der Welt ist noch Leahy zu verdanken: Am 18. Januar bestätigte die Golf-Airline Emirates die Aufstockung seiner 101 Flugzeuge starken A380-Flotte um 36 Stück. Das bringt Airbus einen Umsatz von 16 Milliarden Dollar und sichert Tausende Arbeitsplätze am Airbusstandort Hamburg bis 2025.

Dann würde die A380 ihren 20. Geburtstag feiern. Daß danach weitere drei Produktionsjahrzehnte folgen, glauben selbst die größten Airbus-Optimisten nicht. Das hat aber die einzige A380-Konkurrenz bald geschafft: Die „Königin der Lüfte“, wie sie von Piloten respektvoll genannt wird, feiert ihren 50. Geburtstag. Am 30. September 1968 wurde die gewaltige Boeing 747 mit dem charakteristischen Buckel erstmals präsentiert. Am 9. Februar 1969 absolvierte der Jumbo-Jet in Seattle seinen Erstflug.

Was folgte, war nicht nur eine Revolution des Luftverkehrs: Kontinente rückten zusammen, Massentourismus und fremde Exotik waren auf einmal für viele erschwinglich. Bis zum Erstflug des A380 im Jahr 2005 war die 747-400 das größte, schwerste und stärkste Passagierflugzeug der Welt. Statistisch ist jeder zweite Mensch mit einer der bisher 1.546 hergestellten 747 geflogen.

Dabei stand am Anfang dieses beispiellosen Erfolges eine Niederlage. 1963 forderte die US-Luftwaffe ein großes Transportflugzeug mit aufklappbarem Bug. Boeing bewarb sich, kassierte aber gegen den Konkurrenten Lockheed eine Niederlage, der dann die C-5 Galaxy baute. Als Juan Trippe, Chef der legendären US-Airline PanAm, 1965 Boeing-Präsident Bill Allen nach einem Passagierflugzeug fragte, das alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt, traf er auf offene Ohren. „Wenn Sie es bauen, dann kaufe ich es“, versprach Trippe. „Wenn Sie es kaufen, dann baue ich es“, antworte Allen. „Think big“ war seitdem Programm. In Everett nahe dem Boeing-Hauptsitz in Seattle wurde die weltgrößte Montagehalle aus dem Boden gestampft. Aus sechs Millionen Einzelteilen entstand hier der neue Superflieger: Statt einem Gang mit zweimal drei Sitzen pro Reihe wie die 707 hatte die 747 zwei Gänge mit einem zusätzlichen Mittelblock von vier Sitzen, was Platz für insgesamt 366 Passagiere hieß.

Auch erfolgreich als Frachtflugzeug im Einsatz

Von Anfang an war die 747 auch als Frachter vorgesehen. Ein hochklappbares Bugtor war für die damals gerade aufkommenden Iso-Container ausgelegt. Sperriges Transportgut konnte durch ein größeres Rumpftor auf der linken Seite verladen werden. Um den Raum möglichst effizient zu nutzen, wurde die Pilotenkanzel aus der Nase nach oben verlagert, was den aerodynamisch ungünstigen, aber markanten Höcker zur Folge hatte. In zehn Metern Höhe thront ein 747-Pilot, so hoch wie bei keinem anderen Passagierflugzeug.

Bei späteren Passagiervarianten wurde dieser Höcker zu einem immer längeren Oberdeck, was inzwischen über ein Drittel des Rumpfes geht. Nur der A380 ist von Anfang an durchgängig doppelstöckig. Als die Lufthansa im April 1970 die erste 747-100 nach Europa holte, stürmten Tausende Zuschauer auf das Flugfeld von Frankfurt am Main, um den Riesenflieger mit einer Länge von 71 Metern und einer Spannweite von 65 Metern aus der Nähe zu bestaunen.

Ab 1971 bot Boeing die 747-200 mit stärkeren Triebwerken, höherer Nutzlast und größerer Reichweite an. Trotz Ölpreisschock etablierte sich das bis 1992 produzierte Modell fest am Markt. Zwei modifizierte 747-200 gelangten als Air Force One des amerikanischen Präsidenten zu Berühmtheit. Die 1980 eingeführte 747-300 bot kaum technische Neuerungen. So sollte es nach dem Willen von Boeing auch bleiben, doch kam es in der Folge zu einem Aufstand der Airlines, allen voran Großkunde Lufthansa.

Die Folge war eine gründliche Überarbeitung, die ab 1989 als 747-400 ausgeliefert wurde. Mit rund einem Drittel an der Gesamtproduktion wurde die 747-400 der „Jumbo“ schlechthin. Eng an der Entwicklung beteiligt waren Lufthansa-Techniker. Diese forderten ein modernes Glascockpit, wie es Airbus mittlerweile als Standard für Passagierflugzeuge eingeführt hatte. Statt Einzelinformationen von analogen Anzeigen abzulesen, werden hier Informationen aufbereitet und den Piloten auf Multifunktionsdisplays zugänglich gemacht.

Der wirtschaftliche Einsatz von Großfliegern ist von der Passagierzahl abhängig. Sinkt diese, so werden sie im Linienflugverkehr durch kleinere Jets ersetzt. Hier kommt der 747 der ursprüngliche Entwurf als Frachter zugute, in den jede Maschine umgebaut werden kann. Mittlerweile besteht ein Großteil der 747-Transportflotte aus ehemaligen Passagierflugzeugen. Da eine Frachtversion des A380 auf sich warten läßt, hält Boeing hier weiterhin das Monopol.

Von der aktuellen Version 747-8 Intercontinental wurden seit 2005 nur rund 150 Maschinen bestellt, fast alles Frachter. Längst verdient Boeing sein Geld mit kleineren Modellen wie der 777. Diese faßt statt 660 nur maximal 550 Passagiere, hat aber nur zwei Triebwerke, die weniger Kerosin und Wartung benötigen. Der viermotorige A380 kann zwar 853 Passagiere befördern, benötigt aber spezielle Doppelstock-Terminals zum zu Ein-und Austeigen. Und noch wichtiger: Der A380 braucht eine Jahresproduktion von 15 Stück, um „nahezu“ schwarze Zahlen zu schreiben, wie Airbus-Chef Thomas Enders im Februar verriet.