© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/18 / 28. September 2018

Nein heißt Nein
Vergewaltigung: Eva Trobischs Film „Alles ist gut“ zeigt das Dilemma einer selbstbewußten Frau
Sebastian Hennig

Die Beschreibung des Hauptkonflikts von „Alles ist gut“ ist dazu angetan, die Neugier im Keim zu ersticken. Es geht um die Folgen einer diffusen Vergewaltigung am Ende einer von Alkohol geschwängerten Nacht. Diese beschattet den weiteren Umgang aller beteiligten Personen. Doch anstatt ihr Publikum in der Manier der MeToo-Kampagnen zu belehren, bietet Eva Trobisch die feinfühlige Darstellung eines zeitlosen Konfliktes.

Die Schauspieler agieren glaubhaft. Das Geschehen ereignet sich in einem intellektuellen Milieu. Es handeln Autoren, Lektoren und Verleger mit ihren Sehnsüchten und Eitelkeiten. Gemeinsam mit Piet (Andreas Döhler) hat Janne (Aenne Schwarz) gerade eine Verlagsinsolvenz hinter sich gebracht. Da trifft sie auf dem Weg zu einem Klassentreffen den geschäftlich erfolgreichen Robert (Tilo Nest). Er bietet ihr sofort eine freigewordene Stelle als Cheflektorin in seinem Verlag an.

Nach der Feier taumelt Janne dann mit Martin (Hans Löw) betrunken durch die Nacht. Sie albern herum, lallen dummes Zeug und kommen nur mühsam voran. Beide kehren mit knapper Not unter einem Dach ein. Janne erinnert, daß sie dort den ersten Kuß von Thorben bekam und die erste Alkoholvergiftung von Tequila. Während sie die Betrunkenheit ermüdet, zerstreuen sich bei Martin alle Hemmungen. Ihre zunächst beinahe amüsierte Zurückweisung stachelt ihn zusätzlich an. Sie sind in eine unerfreuliche Situation geraten, die keinen guten Ausgang mehr zuläßt.

Die Regisseurin und Autorin Eva Trobisch meint dazu, daß „die beiden auf schräge Art und Weise etwas verhandeln. Irgendwann stehen sie dann vor einem Punkt, an dem Janne sagt, okay, dann mach dich halt schuldig, ich werde hier jetzt ganz bestimmt nicht das fuchtelnd-schreiende Opfer mimen, das bin ich nämlich nicht. Du bist derjenige, der dann Dreck am Stecken hat, mich beschädigst du weniger als dich.“

Er erzwingt sich, was er nicht erhalten kann

Die Nötigung wird in ihrer ganzen Tristesse vorgeführt. Man vermeint die alkoholischen Ausdünstungen in diesem verschwitzten Gerangel zu riechen. Er erzwingt sich, was er doch nicht erhalten kann. Die akute Triebabfuhr läßt eine chronische Beschädigung zurück. Die ungelenken Arme, die gerade noch brutal der Geilheit zu Diensten waren, tasten nun idiotisch an der für ihn wieder unberührbar gewordenen Person vorbei nach der Brille. Die Tür fällt hinter ihm ins Schloß, während Janne schon bemüht ist, die böse Banalität des Zwischenfalls beiseite zu schieben. Trobisch meint dazu: „Sie weigert sich einfach, dieser maximal unspektakulären Aktion Raum und Macht über sie zu geben.“

Doch es fällt ihr immer schwerer. Im Weg steht ihr das vertrauliche Verhältnis zur Mutter, die den Braten riecht. Als zwischen ihnen in der Sauna sitzend das Ereignis andeutungsweise zur Sprache kommt, verkündet die Ältere: „Nein heißt Nein!“, und läßt doch auf ihre allzu gelehrige Bemerkung ein lebenskluges Lächeln folgen. Es ist eben alles nicht so einfach, wie es den Anschein hat.

Richtig kompliziert wird es, als Janne die Stelle bei Robert antritt. Der hat seine Frau und Kinder wegen einer jüngeren Geliebten verlassen, die ihm gehörig einheizt. In einer bizarren Szene der Vertraulichkeit entblößt er vor seiner neuen Mitarbeiterin die mißhandelten Extremitäten mit der verlegen-ratlosen Bemerkung: „Ich kann doch nicht zurückschlagen.“ Die brutale Geliebte entpuppt sich als Martins Schwester, der gleichfalls in Roberts Verlag arbeitet. In dieser Eigenschaft trifft er nun laufend mit Janne zusammen. 

Die ist bestrebt ihrem Piet, dessen Zutrauen vom wirtschaftlichen Schiffbruch beschädigt ist, den nötigen Rückhalt zu geben. Die Entscheidung, das Vorgefallene für sich zu behalten, wird von der Reaktion ihres Körper durchkreuzt.

Der Zuschauer wird nicht an die Hand genommen

Dabei ist der Film, wie das Leben selbst, nicht nur trüb, sondern in manchen Situationen durchaus auch heiter und komisch. Trobisch geht es um das Dilemma der selbstbewußten Frau: „Für mich ist Janne eine Figur, deren Eigenschaften ich von einigen Frauen meiner Generation gut kenne. Sie sind gebildet, aufgeklärt, gleichberechtigt und, ganz wichtig, unkompliziert.“ Wenn ihre Emanzipation auf eine Vermännlichung hinausläuft, werden die Probleme der Frauen größer als je zuvor: „Bei einigen entsteht dabei eine Männer-Solidarität, die darin mündet, zum Teil chauvinistischer zu denken als ihre männlichen Kollegen, härter mit Frauen ins Gericht zu gehen als die meisten Männer es sich je trauen würden. Das finde ich spannend und habe mich gefragt, was passiert, wenn so eine Person, im archaischsten Sinne, einem Mann ‘zum Opfer’ fällt.“

Der Film zeigt, wie wenig die gewöhnliche Bewirtschaftung des Themas dem ganzen Umfang des Problems gerecht wird. Persönliche Schicksale werden Fallbeispielen zugeordnet. Wenn es dann schließlich heißt, man wolle den Opfern ein Gesicht geben, besteht kein Zweifel mehr, daß ihnen nun auch noch ihre persönliche Geschichte entrissen wird. Eva Trobischs Korrektur dieser reduzierten Sicht bedient sich des Kunstgriffs, dem Geschehen die nötige Unschärfe zurückzugeben. Die diskrete Kamera von Julian Krubasik vermittelt das Gefühl, rein zufällig anwesend zu sein und unbeabsichtigt Zeuge des Geschehens zu werden. Der Eindruck, eine versteckte Kamera hätte die Menschen beim Leben und Leiden observiert, verstärkt sich dadurch, daß dem Zuschauer einiges unklar bleiben muß, was nicht näher erläutert wird. Es gibt keinerlei Winke und Tricks, um die Fehlstellen zu komplettieren. Und gerade dadurch, daß er nicht an die Hand genommen wird, fühlt sich der Zuschauer ernst genommen.

Kinostart am 27. September 2018

 http://allesistgut-derfilm.de