© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Erdogan-Besuch
Ganz wie zu Hause
Jürgen Liminski

Selbst Erdogan muß sich gewundert haben. So viel Unterwerfung hat er beim Besuch in der deutschen Provinz seines Reiches sicher nicht erwartet. Daß man sogar einen Fotografen wegen eines harmlosen T-Shirts aus der Pressekonferenz entfernte und kein deutscher Kollege protestierte. Daß sein persönlicher Feind, der frühere Chefredakteur der mittlerweile gleichgeschalteten Cumhuriyet nicht erschien, nur weil der Sultan drohte, sonst die PK platzen zu lassen. Oder daß Steinmeier und Merkel sich lächelnd in diplomatischen Floskeln ergingen, statt öffentlich Klartext zu reden, selbst dann noch, nachdem Erdogan beim Staatsbankett wütende wie haltlose Vorwürfe geschmettert hatte – all das kann er jetzt in der Türkei zeigen und damit die Reste der dortigen Opposition weiter knechten.

Das war aber nur ein Ziel der Sultan-Visite. Ein anderes war: Die Deutschen sollen wirtschaftlich kräftig helfen. Wenn sie es nicht tun, dann kann man auch das Drohpotential, das er um die Kölner Moschee und in Berlin aufmarschieren ließ und mit dem Islamistenzeichen begrüßte, mal etwas lauter und handfester auftreten lassen. Erdogan wird Berlin erpressen, wenn kein Geld fließt. Vielleicht hat er es schon in den „vertraulichen“ Gesprächen mit Merkel getan. Denn für ihn heißt Normalisierung totale Unterwerfung. In diesem Sinn wird er jetzt auf den Tribut aus der Provinz warten.