© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Ländersache: Hamburg
Allah ersetzt das Kreuz
Björn Harms

Knapp 44 Meter ragt der Turm der ehemaligen Kapernaumkirche in Hamburg-Horn in die Höhe. Noch immer gilt er vielen Anwohnern als unverkennbares Wahrzeichen ihres Stadtviertels. Ein Blick auf die Turmspitze jedoch verwundert. Auf dem Kupferdach ist kein Kreuz mehr zu erblicken. Stattdessen schimmern dort goldene arabische Schriftzeichen in der Herbstsonne: „Allah.“ Aus der ehemaligen evangelischen Kirche ist nach knapp fünfjährigem Umbau eine Moschee geworden.

Zur Eröffnungsfeier in der vergangenen Woche waren unter anderem der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, der Direktor des Zentrums für Mission und Ökumene, Klaus Schäfer, und der Vize-Botschafter von Kuwait erschienen. Dessen Regierung hatte den Umbau des Gotteshauses erst möglich gemacht – über eine Million Euro sollen vom Persischen Golf in die Hansestadt geflossen sein. Die restlichen Kosten von vier Millionen Euro finanzierte der neue Eigentümer, das Islamische Zentrum Al-Nour, aus Spenden. „Kuwait hält sich komplett raus aus unserem Gemeindeleben“, verspricht jedoch Daniel Abdin, Vorsitzender der Gemeinde. Es gebe kein Diktat. Vielmehr solle in Hamburg-Horn eine interreligiöse Begegnungsstätte entstehen.

Derzeit trifft sich die islamische Gemeinde noch in einer umgebauten Tiefgarage im Bahnhofsviertel Sankt Georg. 1993 von sieben Libanesen gegründet, kommen heute zu den Freitagsgebeten regelmäßig 2.500 Muslime verschiedenster Nationen. Ein krasser Gegensatz zur Abwanderung in der Kapernaumkirche. Die evangelische Gemeinde verzeichnete seit den achtziger Jahren stets mehr Austritte als Neumitglieder. 2001 kamen sonntags nur noch zwölf Besucher, erinnert sich eine ehemalige Pastorin. Die steigenden Sanierungskosten überforderten die evangelisch-lutherische Gemeinde zunehmend. Ein Jahr später, am zweiten Weihnachtstag 2002, wurde in der Kapernaumkirche schließlich der letzte Gottesdienst abgehalten. Die Kirche wurde entwidmet.

Anschließend stand das Gebäude jahrelang leer und verfiel, bis 2005 ein privater Investor das Gebäude aufkaufte. 2012 bot er es schließlich im Internet zum Verkauf an, das Islamische Zentrum Al-Nour schlug zu. Ein „Dammbruch“ wie der Hauptpastor der Hamburger St. Michaelis-Kirche seinerzeit kritisierte. Der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, nannte die Veräußerung eine „geistliche Zumutung für die Menschen, die dort leben und sich mit der Kirche identifiziert haben“.

Die Bauarbeiten an dem 1961 errichteten Gebäude sind derweil noch immer nicht vollständig abgeschlossen. Ausbesserungen an der Frontfassade und die Sanierung des Turms stehen noch aus. Äußerlich soll sich das Gebäude jedoch nicht verändern. Es steht unter Denkmalschutz. „Das Gebäude bleibt zwar stehen, aber es hat ja nicht mehr den Charakter, wenn es eine Moschee ist“, zeigt sich der ehemalige Gemeindevorstand Heinz-Jürgen Kammeyer enttäuscht. „Für mich wäre es leichter gewesen, wenn die Kapernaumkirche wegen Baufälligkeit abgerissen worden wäre.“ Spätestens Anfang 2019 wird für die Sehnsuchtswünsche von Kammeyer endgültig kein Platz mehr sein. Dann soll das erste Freitagsgebet in der neuen Moschee stattfinden.