© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Keinen Fußbreit den Kreml-Parteien
Lettland: Korruption, eine schwächelnde politische Führung und viele neue Parteien prägen den Wahlkampf / Einzige Konstante: der Unmut über die Russen
Curd-Torsten Weick

Die Bekämpfung der Korruption ist das zentrale Wahlkampfthema bei den Parlamentswahlen in Lettland am 6. Oktober. Laut dem Internet-Nachrichtenportal Euractiv (Frankreich) neigen diese „seltsamen Kabalen, die wahrscheinlich von Rußland angetrieben werden“, jedoch dazu, die „gesamte politische Klasse eintrüben“.

Nur die Nato schützt die Interessen des Landes 

„Sogar die Umfragen sind hier korrupt!“ erklärt dann auch Juta Strike, eine ehemalige Beamte des Anti-Korruptions-Büros und Kandidatin der Neuen Konservativen Partei (NKP). „Wir sind in den Umfragen herabgestuft worden, weil es eine Hemmschwelle von fünf Prozent gibt und weil die Wähler dazu neigen, keine Parteien zu wählen, die unter diesem Niveau liegen“, erklärt Strike. 

Dabei habe die NKP bei den Kommunalwahlen 2017 dreimal so viele Stimmen bekommen wie erwartet und neun Sitze im Stadtrat von Riga erobert. 

Gegründet wurde die NKP von dem ehemaligen Justizminister Janis Bordans. Neben dem Kampf gegen die Korruption will die Partei die Zahl der Ministerien auf acht reduzieren. Sie spricht sich dafür aus, den Mindestlohn auf 500 Euro pro Monat anzuheben und das Kindergeld zu erhöhen.

Vor allem aber, so die Partei in ihrer Zielsetzung, erachtet sie „jede Rede oder jede Handlung, die zu einer dualen Gesellschaft oder einer zweistaatlichen Sprache“ führe als „völlig inakzeptabel“. Alle „unsere Bürger bilden die lettische Nation oder die politische Nation, und jeder von ihnen sollte ein lettischer Patriot werden.“ Und überhaupt – nur die Europäische Union und die Nato schützten die Sicherheit des Landes, so die Botschaft an die russische Minderheit im Land. 

Doch wie bereits bei den Saeima-Wahlen im Oktober 2014 sehen aktuelle Umfragen die vorwiegend von Russischstämmigen gewählte sozialdemokratische „Harmonie“ als stärkste Kraft. 

Angaben der Baltic Times zufolge haben sieben Parteien eine Chance, in den 13. Saeima gewählt zu werden. Dies ergebe eine öffentliche Meinungsumfrage des Delfi-Portals und der Firma Kantar TNS. Deren Hochrechnungen zufolge kann die oppositionelle „Harmonie“ mit 29 Sitzen (plus 5 Sitze) rechnen.

Starke Einbußen für Regierungsparteien 

Die bisherige konservative Regierungspartei „Bündnis der Grünen und Bauern“ käme auf 18 Sitze (plus 2), die 2015 gegründete elitenkritische „Wem gehört der Staat“ ebenfalls 18, die Neue Konservative Partei 10, die nationalkonservative Nationale Allianz 9 Sitze (minus 8), das erst vor knapp fünf Monaten gegründete liberale Wahlbündnis „Entwicklung / Dafür!“  ebenfalls 8 und die „Einheit“ 7 Sitze (minus 16). 

Die Parteien „Einheit“, „Grüne und Bauern“ und die „Nationale Allianz“ bildeten 2014 die Regierungskoalition, zunächst unter Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma („Einheit“) und seit Februar 2016 unter Ministerpräsident Maris Kucinskis („Grüne und Bauern“). 

Nach dem Sturz des Straujuma-Kabinetts im Jahr 2015 litt vor allem die liberalkonservative „Einheit“ unter internen Konflikten und dem Übertritt von Abgeordneten in andere politische Parteien. Die Umfragen gingen immer tiefer in den Keller. Für die diesjährigen Wahlen bildete die Partei deshalb im April 2018 zusammen mit regionalen Kleinparteien die gemeinsame Wahlliste „Neue Einheit“. 

Doch noch ganz dem Regierungsmodus verhaftet, forderte die „Neue Einheit“ (NP) alle „gleichgesinnten politischen Kräfte“ auf, ein Memorandum zu unterzeichnen, das die Verpflichtung enthält, nicht mit „Pro-Kreml-Parteien“ zusammenzuarbeiten. Nicht angeschrieben wurden die oppositionelle „Harmonie“-Partei und die Partei „Für Lettland von Herzen“. „Die internen politischen Entwicklungen in Lettland in den vergangenen Wochen und die Aktivitäten bestimmter Parteien vor der Wahl können nur als offensichtlicher Versuch Rußlands betrachtet werden, die euroatlantische Gemeinschaft zu spalten. Sollten die Pro-Kreml-Kräfte die Macht in Lettland übernehmen, wird dies eine Verschiebung in der Außenpolitik bedeuten und einen Keil in die Einheit der baltischen Staaten und der nordischen Länder treiben“, warnte Arvils Ašeradens, der Vorsitzende der Partei „Neue Einheit“.