© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Hier ist unsere Heimat, und wir bleiben
Weiße Farmer in Südafrika: Kein Öl ins Feuer gießen und schon gar nicht selbst ins Fadenkreuz geraten, heißt die Devise
Yorck Tomkyle

Vor ein paar Jahren wurde der britische Musiker Peter Gabriel auf einer Pressekonferenz gefragt, was er als Ikone der Anti-Apartheid-Bewegung zu der sich zunehmend verschärfenden Situation für die Weißen in Südafrika sage. Ob er, der sich mit Songs wie „Solsbury Hill“ und „Biko“ an vorderster Front als Künstler gegen die Apartheid in Südafrika engagiert habe, sich nicht auch ein wenig verantwortlich für die aktuelle Entwicklung dort fühle, die man am besten als eine Apartheid mit umgekehrten Vorzeichen beschreiben könne. Gabriel blickte den Fragesteller verständnislos an und rief die nächste Frage auf.

Obwohl die Nachrichten, die aus dem Land am Kap kommen, tatsächlich zunehmend darauf hindeuten, daß die dortige gesellschaftspolitische Entwicklung der schleichenden Ausgrenzung und Unterdrückung der weißen Minderheit letztlich in einer politisch gewollten Marginalisierung, wenn nicht Vertreibung, der Weißen resultieren könnte, ist dazu weder von den westlichen Regierungen noch von dem ehemals breiten Anti-Apartheid-Bündnis westlicher Künstler etwas zu vernehmen.

Theresa May konterkariert Donald Trump 

Lediglich Donald Trump scherte kürzlich aus dieser schweigsamen Phalanx aus, als er sein Außenamt anwies, ein schärferes Auge auf den Umgang der südafrikanischen Regierung mit weißen Farmern zu haben. Allerdings wurde dieser Vorstoß sofort durch die britische Regierungschefin Theresa May konterkariert, die dem südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa zusicherte, sie unterstütze die angekündigten Enteignungen weißer Farmer.

Verfolgt man von Europa aus die Entwicklung, die Südafrika im Umgang mit der weißen Bevölkerung eingeschlagen hat, über einen längeren Zeitraum, so kann man sich tatsächlich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Intensität und Anzahl der Farmmorde, die Ausgrenzung Weißer in Bildungseinrichtungen und auf dem Arbeitsmarkt sowie die schrille Enteignungsrhetorik zunimmt.

Aber wie beurteilen die Betroffenen die aktuelle Lage? Was sagen die Farmer jenseits der offiziellen Verlautbarungen ihrer Verbände zu der Entwicklung? Wie beurteilt die weiße Mittelschicht in Südafrika ihre Zukunftsaussichten?

Zeit für einen Ortstermin. Jacobus Smitt sitzt etwas verloren auf einem steinigen Hügel und blickt ins Tal. Da unten spielen seine drei Kinder im Licht der untergehenden Sonne vor dem Farmhaus. Seine Familie, sagt er, habe das Land hier vor drei Generationen urbar gemacht und lebe völlig problemlos mit den Schwarzen zusammen. Er sei der größte Arbeitgeber in der Gegend und fördere soziale Projekte in den umliegenden Dörfern. Es sei keineswegs so, daß die ansonsten strukturschwache Region nicht von der Farm profitiere, und das wüßten die Menschen hier auch. Er habe keine Probleme mit den Schwarzen in der Region.

Auf die Frage, ob denn der elektrische Hochsicherheitszaun und das gut gesicherte schwere Stahltor um die Farmgebäude lediglich dem Schutz vor wilden Tieren dienten, antwortet er nach einer langen Pause müde, es habe schon zwei nächtliche Versuche von Unbekannten gegeben, diese zu überwinden und in die Farmgebäude einzudringen. Aber man sei gut vorbereitet und habe diese Versuche im Ansatz vereiteln können.

Smitt beeilt sich, dafür fremde Gruppen verantwortlich zu machen, marodierende Räuber, die nichts mit der ortsansässigen Bevölkerung zu tun haben. Leer wird sein Blick bei der Frage, ob er denn glaube, daß auch sein kleiner Sohn dereinst die Farm bewirtschaften und an seine Kinder weitergeben werde. „Das weiß nur Gott“, antwortet er leise.

Pieter Claassen ist einer der Farmer, die bereits enteignet wurden. Er steht auf einer staubigen Straße, die zu der Farm führt, die einmal ihm gehörte. Auch seine Familie bewirtschaftete das Land seit Generationen. Mit leuchtenden Augen erklärt er gestikulierend, wie man Zuckerrohr anbaut. 

Warum man gerade ihn ausgewählt habe, als es um die Enteignung der ersten Farm in dem Gebiet gegangen sei? 

Zuckerrohranbau benötige viel Wasser, gibt er zurück. Die Regierung habe damals die Bewässerung in der Region neu regeln wollen, was dazu geführt hätte, daß den Farmern ihre Existenzgrundlage genommen worden wäre. Er habe damals eine Bürgerinitiative gegründet und sei gegen diese Pläne vor Gericht gezogen.

„Affirmative Action“ senkt Niveau erheblich

Während sich seine Züge verfinstern beschreibt er, wie die Regierung ihn für die geplante Enteignung ausgewählt habe, nachdem die Farmer den Prozeß verloren hatten. Er habe zwar eine Entschädigung bekommen, jedoch sei deren Höhe weit unter dem eigentlichen Wert der Farm gewesen. „Bestrafe einen, erziehe tausend“, sagt er bitter.

Claassens ehemalige Nachbarn wiegeln ab. Sie erzählen, er habe die Gerichtskosten nach dem verlorenen Prozeß nicht bezahlen können – das sei der eigentliche Grund für die Enteignung gewesen. 

Den Verlust der Farm habe Claassen somit schon auch zumindest zum Teil mit verschuldet.

Es fällt auf, daß sich die Farmer, die überhaupt bereit sind, sich zu dem sensiblen Thema der Enteignungen zu äußern, auch gegenüber ausländischen Fragestellern äußerst vorsichtig verhalten. Man möchte auf keinen Fall Öl ins Feuer gießen und schon gar nicht selbst ins Fadenkreuz geraten. Wer weiß schon, ob die Antworten, die man gibt, nicht in die falschen Hände geraten. Insgesamt gewinnt man den Eindruck, daß die Enteignungen und die Farmmorde zunehmend als Bedrohung wahrgenommen werden, der man sich zu entziehen versucht, indem man am besten gar nicht darüber redet.

Diese diffuse Angst ist jedoch auch bei Weißen zu spüren, die zur bürgerlichen Mittelschicht gehören, ohne Farmer zu sein.

Riaan Terblanche ist als Manager bei einer südafrikanischen Baufirma angestellt. Die „Affirmative Action“, das gesellschaftspolitische Regelwerk, durch das die jahrzehntelange Benachteiligung der Schwarzen durch deren Bevorzugung beseitigt werden soll, bescherte ihm einen Chef, dessen wesentliches Qualifikationsmerkmal seine Hautfarbe ist.

Das sei für ihn in Ordnung, meint Riaan, solange sein Chef sich nicht zu sehr einmische. Man hätte den Deal miteinander, daß er die Arbeit mache und sein Chef repräsentiere.

Natürlich sei das ungerecht, aber nach Lage der Dinge könne man nichts Besseres erwarten.

Was ihn bedrückt sind vielmehr die Zukunftsaussichten – überall würden die Standards heruntergeschraubt, um den Schwarzen zu ermöglichen, Qualifikationsnachweise zu bekommen, die letztlich gar nicht mehr hielten, was sie versprächen. Er erlebe täglich, wie die einst hohen südafrikanischen Standards in Bildung und hochqualifizierten Berufen wie Ingenieurwesen und Medizin verfielen.

Auch Europa ist keine Alternative

Hinzu komme Vetternwirtschaft, ausufernde Korruption und die teils äußerst brutale Gewalt, die im ganzen Land immer wieder von Verbrechern gegen Weiße verübt werde. Der Täter werde der Staat selten habhaft.

Das alles verunsichere die Weißen im Land zutiefst, und man könne sich des Eindrucks schwer erwehren, daß das von vielen südafrikanischen Politikern auch gewünscht werde.

„Wenn du ein gesunder, heterosexueller, weißer Mann bist, mußt du dich hier heute ganz hinten anstellen. Du hast praktisch keine Chance mehr, in Südafrika noch einen guten Job oder auch nur einen Studienplatz zu bekommen“, sagt Riaan betrübt.

Glücklicherweise, so ergänzt seine Frau Margriet, sei Riaans Mutter Holländerin. Dadurch sei es ihren beiden Söhnen möglich, die niederländische Staatsbürgerschaft zu bekommen. „Die beiden werden nach Holland auswandern und dort ihr Glück suchen.“

Allerdings beobachte man in Südafrika die Entwicklung in Mitteleuropa mit einem gewissen Unbehagen. Es entstünde zunehmend der Eindruck, daß Europa den Weg Südafrikas einschlage. „An uns könnt ihr sehen, wohin das führt“, sagt Riaan bitter. „Wohin sollen wir gehen, wenn das in Europa auch losgeht?“

„Am Ende des Tages“, ergänzt Margriet, „senken wir unsere Köpfe, arbeiten hart und leben unser Leben so gut, wie es eben möglich ist. Die Nachrichten in unserem Land sind so düster, daß wir nur versuchen können, unsere Familie zu schützen und irgendwie zu leben. Hier ist unsere Heimat, und ich will hier bleiben, auch wenn ich sie jeden Tag ein Stückchen mehr verliere.“





Probleme mit der Landenteignung

Südafrika und die Landenteignung ohne Entschädigung. Eine lange Geschichte. Das Enteignungsgesetz wurde 2016 vom Parlament verabschiedet, es wurde aber vergangenes Jahr vom ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma zurückverwiesen, nachdem Bedenken laut wurden. Angaben des Nachrichtendienstes Eyewitness News zufolge arbeitet nun das Ministerium für öffentliche Arbeiten daran, dem Enteignungsgesetz einen Abschnitt hinzuzufügen. Eyewitness zitiert den stellvertretenden Minister für öffentliche Arbeiten, Jeremy Cronin, der gesagt habe, daß nur ein kleiner Teil dem bestehenden Enteignungsgesetz hinzugefügt werden müsse. Nur Land, das rein spekulativ gehalten werde, verlassene Gebäude, Land, das von Arbeitern bewirtschaftet werde, wo der Titelinhaber abwesend sei, und staatliches Land, das nicht optimal genutzt werde, könne entschädigungslos enteignet werden. Laut Cronin sei es aber nicht möglich, dem Parlament den geänderten Gesetzentwurf vor den Wahlen 2019 vorzulegen. „Es besteht ein enormes Risiko, daß Landreformen schlecht durchgeführt werden, und eine bescheidene Aussicht, es gut zu machen“, erklärt Terence Corrigan, Forscher am Institut für Rassenbeziehungen, in einem Interview mit Bloomberg. Überhaupt, so der Informationsdienst, hielten Unternehmen und Trusts 43 Prozent der Argrarfläche, die „Rasse“ der Eigentümer sei schwer zu bestimmen.