© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Zuweilen braucht es nur eines hartnäckigen Anschubers, um sich mit etwas zu beschäftigen, das einem intellektuell und/oder emotional fernsteht. So erging es mir jetzt mit Bertolt Brecht. Widerwillig ließ ich mich von einer Bekannten ins Kino zu „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ schleifen. In dem Historiendrama geht es um die Dreharbeiten zu einer geplanten und letztlich gescheiterten Filmadaption von Brechts Ende August 1928 uraufgeführtem Theaterstück mit der Musik von Kurt Weill. Nun konnte ich mit dem verbohrten Kommunisten Brecht und seinem Werk nie viel anfangen. Der Dramatiker und Lyriker hatte 1953 die Niederschlagung des Aufstands vom 17. Juni mit sowjetischen Panzern bejubelt und wenige Monate zuvor in der Zeitschrift Sinn und Form dem Diktator Stalin einen Nachruf gewidmet, in dem es heißt: „Den Unterdrückten von fünf Erdteilen, denen, die sich schon befreit haben, und allen, die für den Weltfrieden kämpfen, muß der Herzschlag gestockt haben, als sie hörten, Stalin ist tot. Er war die Verkörperung ihrer Hoffnung. Aber die geistigen und materiellen Waffen, die er herstellte, sind da, und da ist die Lehre, neue herzustellen.“ 1954 erhielt Brecht den Internationalen Stalin-Friedenspreis. Trotzdem habe ich den Film „Mackie Messer“ mit Gewinn gesehen. Er vermittelt einen Eindruck von Brechts gesellschaftskritischen Motiven und Absichten, seiner Denkweise und seinem Kunstverständnis („Wenn Sie nur etwas sehen wollen, was einen Sinn hat, müssen Sie auf ein Pissoir gehen“). Und die Besetzung ist eine Wucht, allen voran Lars Eidinger, der in Brecht-Zitaten aus dessen Leben und Werk spricht und ihn einfach großartig verkörpert. Nicht minder zu überzeugen wissen Tobias Moretti als Macheath/Mackie Messer und Joachim Król als Peachum, Chef der Londoner Bettlermafia.


Ungeduldige Lektüreerwartung: Am 30. Oktober erscheint Volker Kutschers „Marlow“, der siebte Roman um den mittlerweile zum Oberkommissar beförderten Berliner Mordermittler Gereon Rath. Er spielt im Spätsommer 1935, und laut Verlagsankündigung geht es um einen tödlichen Verkehrsunfall sowie um Hermann Göring, der erpreßt werden soll, um Morphium und geheime Akten. Und um den titelgebenden Unterweltkönig Johann Marlow, zu dem Rath seit dem ersten in dieser Reihe erschienenen Roman „Der nasse Fisch“ (2008) eine wechselvolle Beziehung pflegt. Im November geht Volker Kutscher mit seinem neuen Werk auf Lesetour, unter anderem in Dortmund, Berlin, Schwerin, Hamburg, München und Köln.