© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Blick in die Medien
Ängstlicher Verfolgungswahn
Tobias Dahlbrügge

Wie paranoid diktatorische Regime sind, zeigt die Doku „Honeckers unheimlicher Plan“, die am 1. Oktober in  der ARD lief. Alarmiert durch den Ungarnaufstand, den „Prager Frühling“, aber vor allem durch den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR, wollte das Politbüro der SED nichts dem Zufall überlassen: Die geheime „Direktive 1/67“ sah vor, im Falle einer Revolte durch ein Codewort alle 211 Stasi-Kreisdienststellen zu mobilisieren. Diese sollten innerhalb von 24 Stunden landesweit rund dreitausend „feindlich-negative Elemente“ verhaften und mehr als zehntausend weitere Oppositionelle in vorbereiteten Internierungslagern isolieren.

Die Parallelen zur „soften“ Verfolgung heute mit dem NetzDG springen ins Auge.

Um jedes unterirdische Rumoren in der Gesellschaft aufzuzeichnen, das einen Aufstand ankündigen könnte, wurden fast 90.000 potentielle „Konterrevolutionäre“ im Zuge des „Vorbeugekomplexes“ überwacht – Umweltschützer, Friedensbewegte, Künstler. Daß dieser Geheimplan gegen internationale Menschenrechte und gegen die eigenen Gesetze der DDR verstieß, interessierte die Genossen nicht. Für sie waren die Massenverhaftungen ausschließlich ein logistisches Problem. Darum wurde der Plan von 1967 immer wieder überarbeitet. Vor allem die Bewachung von tausenden Häftlingen bereitete den Planern Kopfzerbrechen.

Das Filmemacherpaar Katharina und Konrad Herrmann hat diese ungeheuerliche Geschichte für den RBB nachgezeichnet. Die Doku erklärt auch, warum die Direktive ausgerechnet im Wendeherbst 1989 nicht mehr ausgeführt wurde. Der sehenswerte Film ist in der Mediathek zu finden.

Er ist nicht nur eine wahre Geschichte, sondern auch ein Lehrstück über deutschen Verfolgungswahn im doppelten Sinne. Die Parallelen zur „soften“ Verfolgung von heute durch Netzwerkdurchsetzungsgesetz, Blockierlisten, Kündigungen und Antifa-Terror springen dabei ins Auge.