© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Alles andere als schlichtweg erfunden
Der Schriftsteller Eckhard Henscheid reflektiert das Leben von christlichen Heiligen
Werner Olles

Endlich, möchte man sagen, meldet sich Eckhard Henscheid, inzwischen 77 Jahre alt und ins idyllische Amberg zurückgekehrt, nach längerer Pause mit einem „hagiographischen Opusculum“ zu Wort, welches den Autor endgültig als „theologischen, ja religiösen und religionsstiftenden Forscher“ ausweist. 

Für den ehemaligen Ministranten in St. Georg ist die Catholica gewiß nichts Neues, was er bereits mit seiner Parodie auf die bis 1978 vom Deutschen Fernsehen ausgestrahlte Sendung zur „Lebenshilfe“ von „Pfarrer Sommerauer antwortet“ bewiesen hat, später mit seiner heilsgeschichtlichen Studie „Welche Tiere und warum das Himmelreich erreichen können“ (1993) fortsetzte und mit dem letzten Band der „Trilogie des laufenden Schwachsinns“ mit dem schönen Titel „Die Mätresse des Bischofs“ und nicht zuletzt dem Roman „Aus der Kümmerniß“ (2002) unschlagbar unter Beweis stellte.

Von Cyprian in Karthago bis zu Thomas von Aquin

Nun also: „Aus dem Leben der Heiligen – Neue Legenden“. Henscheid, Schriftsteller, Satiriker und Mitbegründer der legendären „Neuen Frankfurter Schule“ widmet sich in dem Büchlein, angeregt von den vier älteren und neueren Büchern „Das Leben der Heiligen Gottes“ (Einsiedeln 1880); Régine Pernouds „Die Heiligen im Mittelalter“ (Bergisch-Gladbach 2004); „Reclams  Lexikon der Heiligen und biblischen Gestalten“ (Stuttgart 1968 ff.) und Jacobus de Voragines „Legenda Aurea“ (1292/Zürich 1994, verschiedene Ausgaben) „zum Teil bis in den Wortlaut hinein“ allerlei Heiligen, von denen einige (Heinrich Bedford-Strohm) schlichtweg erfunden sind. Während der unselige Pfarrer Fleischmann uns noch in unguter Erinnerung ist als einer der drei Dämonen – die anderen waren Nero und Hitler –, welche die arme Anneliese Michel zu Klingenberg am Main aufs schlimmste drangsalierten, daß selbst zwei Patres mit dem Großen Exorzismus nichts mehr auszurichten vermochten.

Das Konvolut beginnt mit dem Kirchenlehrer Cyprian, geboren um das Jahr 200 zu Karthago, der damaligen Hauptstadt Nord-Afrikas, als hoffnungsvoller Sohn einer reichen Senatorfamilie, 248 zum Priester geweiht und später zum Nachfolger des Bischofs Cäcilianus ernannt. Die heilsgeschichtlich nicht unwichtige Christenverfolgung des Valerian (233–260) führte Cyprian in die Verbannung, dann aber auf den Richtplatz von Karthago, auf dem der Heilige dem Henker 15 Goldstücke – andere Quellen sprechen von 25 Goldstücken –, übergab, da er ihm durch den Todesstreich das Himmelstor öffne. 

Nicht zu unterschätzen ist auch Elias, „der erste große schicksalkündigende Prophet Israels“, der nicht nur den gotteslästerlichen Baalskult heftig bekämpfte und auf dem Berg Carmel die Baalspriester greifen und schlachten ließ, sondern sich auch nach seiner Flucht in die Wüste unter einen Ginster beziehungsweise Wachholder legte, von einem Engel geweckt und gespeist wurde, um dann vierzig Tage in einer Höhle des Berges Horeb zu fasten. Nachdem er trockenen Fußes durch den Jordan watete, entrückte Elias mit einem feurigen Wagen gen Himmel. Und unvergessen ist natürlich der Heilige Joseph, der Gemahl Mariä, dem der Erzengel Gabriel im Schlaf erschien und überzeugend die Überschattung seiner, nämlich Josefs Braut, durch den Heiligen Geist verkündete.

Kaum weniger berühmt ist der Kirchenlehrer Thomas von Aquin, der gefangen in einem Turm, ein ihm zu Leibe rückendes Frauenzimmer, welches allerlei unziemliche Dinge mit ihm treiben wollte, mit einem brennenden Kaminscheit in die Flucht schlug, um anschließend erschöpft einzuschlafen, bis Papst Urban V. ihn zum „englischen Kirchenlehrer“ erhob.

Eckhard Henscheid: Aus dem Leben der Heiligen – Neue Legenden. Wilhelm Verlag, Amberg 2018, gebunden, 104 Seiten, 16,80 Euro