© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Umwelt
Dankt der Ernte
Volker Kempf

Sicher ist die Saat eine wichtige Voraussetzung für eine gute Ernte. Aber das stellt nur auf das ab, was der Mensch selbst tun kann. Dabei kommt es auch auf externe Faktoren an, die unberechenbar sind wie das Wetter. Das wurde in diesem Sommer wieder deutlich. Wasser war auf den Feldern und im Walde Mangelware. Die Jahresringe an den Bäumen werden schmal ausfallen, es gibt weniger Holz. Viele Bäume mußten gefällt werden, weil sie einmal geschwächt ein gefundenes Fressen für Baumschädlinge wurden. Allein im August wurden bei einem Kaiserstuhldorf tausend Schwarzkiefern gefällt. Getreide und Mais wuchsen schlecht, wie landauf, landab zu sehen war. Fische hatten Probleme mit warmem Niedrigwasser, sie konnten nur teilweise aus Bächen und Zuflüssen gerettet und umgesiedelt werden. Selbst der Rhein war für einige Fischarten zu warm, um genug Sauerstoff aufzunehmen.

Vielen ist nicht bewußt, daß der Mensch unendlich viel mehr empfängt, als er gibt.

In Zeiten des Überflusses ruft das in Erinnerung, daß Bauern von den Launen der Natur abhängig bleiben. Um so mehr sollte Dankbarkeit für das vorherrschen, was die Natur schenkt. Das hat auch Tradition und einen Namen: Erntedankfest. Aber es gibt nicht nur das Erntedankfest am kommenden Sonntag. Auch die aus der Mode gekommenen täglichen Tischgebete zeugen von dem Bewußtsein, daß das Nehmen keine Selbstverständlichkeit ist, sondern wer nimmt auch Grund zum Dank hat. Das Problem ist, ganzheitlich zu denken. Zu unwahrscheinlich ist es, daß ein Bereich dem Undank verfällt, ein anderer nicht. In Zeiten des Undanks droht ein sittlicher Verfall. Der Dank nimmt nichts, er macht reicher. Darüber haben viele kluge Köpfe schon nachgedacht, etwa Dietrich Bonhoeffer: „Im normalen Leben wird einem oft gar nicht bewußt, daß der Mensch überhaupt unendlich viel mehr empfängt, als er gibt, und daß Dankbarkeit das Leben erst reich macht.“