© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Kinder müssen draußen bleiben
Ob im Urlaub oder in heimischen Restaurants: „Adults only“-Angebote nehmen zu
Verena Rosenkranz

Entspannen und Kopf abschalten. Im wahrsten Sinne des Wortes haben das wohl auch die Initiatoren von immer mehr kinderfreien Räumen getan. Sie werben für Restaurants, Filmvorführungen oder Thermen zur Erholung ohne Nachwuchs. Steht dann eigentlich vor der Eingangstür ein Schild wie bei mitgeführten Hunden „Wir müssen draußen bleiben“? Mitleidsvoll wird ihnen noch eine Schüssel Wasser hingestellt, wohin denn sonst mit den kleinen Quälgeistern, die müssen ja auch mal raus und den ganzen Tag allein lassen geht eben nicht – einen kostenlosen Babysitter stellt die Erwachsenentherme ja nicht zur Verfügung.

Die Kinder wüßten sich nicht zu benehmen

Nein, so plakativ gestalten es die Verantwortlichen dann doch nicht. Insgeheim dürfte auch ihnen die Peinlichkeit der eigenen Aktion bekannt sein und ihrem „mutigen Vorstoß“ ein gewisses ge

sellschaftliches Tabu anhaften. In einem „18+ Restaurant“ auf Rügen hingegen sind schon alle Dämme gebrochen. Während die kleinen Zweibeiner ab 17 Uhr keinen Zutritt mehr haben, sind Hunde so herzlich willkommen wie ihre erwachsenen Besitzer – dort gibt es sogar eigene Menüs für die Vierbeiner. Die Problematik rund um lärmende Mädchen und Buben hätte so sehr überhandgenommen, daß sich die Betreiber zu dem Schritt gezwungen sahen, rechtfertigen diese sich. Daß dieser „Lärm“ ein Zeichen von Leben und Fortbestand ist und die Gäste darum um so entspannter den Besuch in Restaurant oder Schwimmpalast genießen sollten, fällt ihnen nicht ein. Diese offenbar störenden Kinder sichern ihre Zukunft, arbeiten für ihre später notwendig werdende Pflege und geben bereits mit ihrer Geburt das zentnerschwer lastende Versprechen ab, für die Rente ihrer genervten Vorgängergenerationen zu sorgen. 

Diese wollen sie allerdings zunehmend aus dem öffentlichen Raum verbannen. Das gleiche Spektakel ist bei etlichen Fluglinien zu beobachten. Während in aller Regel eine Reise weder mit kleinen noch mit größeren Kindern eine Erholung ist, wird es durch einen gesonderten Aufschlag für den Nachwuchs noch erschwert. In den extra auf Familien ausgelegten Erlebnisurlaub auf der griechischen Ferieninsel geht es also nur durch „Erschwerniszuschläge“ in den Charterflieger. Dort findet dann genauso wie in Deutschland und Österreich jene Segregation statt, die für eine kinderarme Gesellschaft bezeichnend ist. In den Kinderhotels wuselt es von lärmenden Kindern und ihren Eltern. In der breiten Öffentlichkeit sind aber keine Familien willkommen. Aus Angst vor strafenden Blicken bleiben Frau Mutter und Herr Vater schön im geschlossenen Resort, anstatt Sehenswürdigkeiten mit ihrem Nachwuchs zu besichtigen, anstatt mit ihnen in ein Restaurant essen zu gehen und die Tischmanieren auch mal neben fremden Menschen zu üben, um diese fremde Öffentlichkeit daran zu erinnern, daß es nichts Selbstverständlicheres als den Kreislauf des Lebens gibt. 

Die Kinder lernen den Umgang mit der Gesellschaft und ihren Normen nicht, weil sie es nicht müssen. Ein hausgemachtes Problem, aus zweierlei Hinsicht. Einerseits wird moniert, die Kinder seien immer unerzogener und würden keine Manieren oder Benehmen kennen. Dem Betreiber des Rügener Gasthauses gehe es konkret um Eltern, „die ihren Namen tanzen können, aber ihre Kinder nicht mehr im Griff haben“. 

Andererseits würden sich die Eltern immer öfter eine Auszeit ohne ihren Nachwuchs wünschen. Wer tut das nicht. Wer die Großeltern, Tanten, Tagesmütter und Geschwister einspannen kann, um etwas Zeit in Zweisamkeit zu verbringen, darf das nicht automatisch auch von anderen erwarten. Die große zusammenhaltende Familie ist leider ein Auslaufmodell. Und wenn es doch mit einer helfenden Hand und achtsamen Augen funktioniert, dann geht man zu zweit spät abends essen, in die Sauna oder ins Kino. Dort ist die Chance auf das scheinbar unerträgliche Geschrei relativ gering. 

Daß dieses aber erst durch falsche oder eben gar keine Erziehung zustande kommt, schließt den Kreis einer antiautoritären Erziehung der Nachkommen der 68er. Unfähig, ihrem Nachwuchs Werte, Respekt oder Benehmen beizubringen, fordern sie in aller Überforderung nun kinderlose Räume. Das absolute Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit. Eine rücksichtslose Generation bestätigt sich in ihrer eigenen Abschaffung.

Foto: „Adults Only“-Restaurant in Binz auf Rügen: „Ab 17.00 Uhr bitte ohne Kinder unter 14“ steht auf der Kreidetafel vor dem Eingang.