© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/18 / 12. Oktober 2018

Frankfurter Buchmesse
Einladung zum Streit
Dieter Stein

Wie sehr der freie Diskurs in der Realität eine nackte Machtfrage ist, kann kaum besser demonstriert werden, als es die Frankfurter Buchmesse macht. Nachdem im vergangenen Jahr der Buchmessenchef Juergen Boos höchstpersönlich als Demonstrant vor Ständen von in seinem Haus ausstellenden und zahlenden Gästen auftauchte, Aussteller, die er zuvor im Internet mit Standadresse regelrecht an den Pranger gestellt und damit linke Krawallmacher zu Standbesuchen eingeladen hatte, sucht die Messeleitung dieses Jahr eine weitere Eskalation: Verlage, die als „rechts“ und damit als aussätzig markiert, in Worten einer Sprecherin „unter Kontrolle gehalten“ werden sollen, wurden in einer extra konstruierten Sackgasse isoliert.

Gleichzeitig beweihräuchert sich die Messe mit Blick auf die Türkei, Polen oder Rußland ohne rot zu werden als Bollwerk der Meinungsfreiheit: Der Bundespräsident eröffnete am Mittwoch einen „neuen ikonischen Veranstaltungspavillon“ mit der Rede „Vom Dafürhalten. Wie wir die Freiheit in stürmischen Zeiten verteidigen“. Unter dem Motto „Das Recht, frei zu reden – Pressefreiheit in Europa“, lobt die Messe eine weitere Podiumsdiskussion an. Bei „Das freie Wort unter Druck? Selbstzensur in Deutschland“ wird man dem Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins und Alleingesellschafter der Frankfurter Buchmesse, Alexander Skipis, dabei zusehen können, wie er sich für seine Zivilcourage auf die Schulter klopft. Selbstkritik werden wir wohl nicht hören. Noch weniger wird man auf den Podien auch nur einen Vertreter jener „rechten“ Verlage finden, für deren Ächtung die Buchmesse einen enormen Aufwand betreibt.

Welcher Ort wäre indes besser als die größte Verlagsmesse der Welt dazu geeignet, um zu zeigen, wie souverän und gelassen eine demokratische Öffentlichkeit mit unterschiedlichen, gegensätzlichen Meinungen umgeht? Statt dessen erleben wir ein unsouveränes Zeichen der Schwäche. Die Messeleitung schafft es nicht einmal, mit den betroffenen Verlagen in einen Dialog zu treten, verweigert selbst Journalisten von FAZ, Zeit und anderen die Auskunft, welche Motive sie für das Drangsalieren Andersdenkender hat.

Das Verhalten der Messe steht nicht allein. Es spiegelt ein gesellschaftliches Problem. So sehr formal der freie Diskurs, die offene Debatte zum Merkmal unserer Demokratie erklärt und immer wieder eingefordert wird, so sehr erleben wir in einer Phase der verschärften Polarisierung und des vertieften Dissenses permanent das Gegenteil: Blockade, Gesprächsverweigerung, Ausschluß aus dem Diskurs – notfalls mit Gewalt.

Wir laden deshalb unsere Leser, aber besonders unsere Kritiker zum Besuch an unserem Messestand ein. Die Schlagzeile der ersten Ausgabe der JUNGEN FREIHEIT lautete 1986: „Der Freiheit eine Gasse!“ Nie war dieser Appell aktueller.