© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/18 / 12. Oktober 2018

Ländersache: Mecklenburg-Vorpommern
Humanitäre Hilfe für Mallorca
Jürgen Becker

Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Mecklenburg-Vorpommern ist schon seit Jahren keine positiven Schlagzeilen mehr gewohnt. Der Verband rutscht von einem Skandal in den nächsten. Mal geht es um Luxus-Gehälter für Vorstandsmitglieder in den Kreisverbänden, mal um mutmaßlich betrogene Rentner, mal um Vetternwirtschaft. Die AWO-Schwerin hat nun das Kunststück fertiggebracht, den ohnehin schon ramponierten Ruf der gemeinnützigen Organisation noch weiter zu ruinieren. Von „Kopfschütteln“ (Nordkurier) und „Arbeiterwohl-Farce“ (Bild) ist im Land die Rede, für den NDR ist es „ein Fall für den Landtag“. Was war passiert? In der vergangenen Woche wurde bekannt, daß der Schweriner Kreisverband der AWO ausgerechnet auf Mallorca eine Kita betreibt, während anderswo in Mecklenburg-Vorpommern Kindertagesstätten geschlossen werden. Selbst das SPD-geführte Sozialministerium reagierte irritiert: Ein solches Projekt liege „nicht im Landesinteresse“ und sei „ungewöhnlich“. 

Dabei hatte sich die SPD mit Kritik an der AWO stets zurückgehalten. Denn: In fast allen AWO-Kreisvorständen sitzen SPD-Funktionäre. Noch schlimmer machte die AWO den ohnehin fragwürdigen Vorgang mit ihrer Rechtfertigung. Es gehe in Wirklichkeit um „humanitäre Hilfe“ und „Entwicklungszusammenarbeit“, betonte der Schweriner AWO-Chef Bernd Sievers. Humanitäre Hilfe aus dem ärmsten deutschen Bundesland für das florierende Mallorca? Weil das so recht keiner glauben möchte, heißt es nun, man habe Erzieher für Kitas in Deutschland gewinnen wollen. Wie viele davon nach Deutschland kommen, was das Haus auf dem überhitzten Immobilienmarkt Mallorcas gekostet hat und ob Steuergelder geflossen sind, will die AWO nicht beantworten. Vielleicht wird sie dazu aber schon bald gezwungen. Seit 2017 beschäftigt sich ein von der AfD eingesetzter Untersuchungsausschuß des Landtags mit den Finanzierungsstrukturen der großen Sozialverbände.

 Diese sollen laut Landesrechnungshof über Jahre hinweg Steuergelder kassiert und mit einem bis heute unbekannten Schlüssel untereinander aufgeteilt haben. Nicht einmal die Landesregierung weiß, nach welchen Kriterien die Gelder verteilt wurden. Klar ist bisher: Für viele der mit Steuergeldern finanzierten Ausgaben mußten die Sozialverbände nicht mal Quittungen vorlegen. Ganz vorne mit dabei: die AWO!  Der Obmann der AfD im Untersuchungsausschuß, Thomas de Jesus Fernandes, fordert bereits eine Ausweitung des Untersuchungsauftrages, um auch Fälle wie die AWO-Kita auf Mallorca zu untersuchen. „Die Arbeiterwohlfahrt hat heute nichts mehr mit Arbeitern und kaum noch etwas mit Wohlfahrt zu tun“, kritisiert Fernandes. Der Verband mit seinen vielen eigenständigen Kreisverbänden (allein in MV sind es 15) sei mittlerweile zu einem undurchsichtigen „Selbstbedienungsverein“ geworden, der ein undurchsichtiges Firmengeflecht mit „allerlei Versorgungsposten für ausrangierte Sozis“ betreibe. Auch die Linkspartei bringt eine Untersuchung durch den Landtag ins Spiel. Schon in der nächsten Sitzung will die AfD einen Antrag für ein „Wohlfahrtsgesetz“ einbringen, der die Verbände zu mehr Transparenz verpflichtet. „Dann kommt vielleicht auch endlich Licht ins AWO-Dunkel unter der Sonne Mallorcas“, hofft Fernandes.