© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/18 / 12. Oktober 2018

Donald Trumps aggressive Strategie funktioniert
Handelsvertrag USMCA: Der US-Präsident setzt weiteres Wahlversprechen um / Desaster für deutsche Autokonzerne vorerst abgewendet
Thomas Kirchner

Zwei weitere Erfolge kann Donald Trump vermelden: die Ernennung von Brett Kavanaugh zum Richter am Obersten Gerichtshof auf Lebenszeit und die Reform der Waren im Wert von 1,2 Billionen Dollar umsetzenden nordamerikanischen Freihandelszone Nafta, die jetzt „United States-Mexico-Canada Agreement“ heißt. Das neue USMCA werde Amerika wieder in ein „Kraftzentrum der verarbeitenden Industrie“ verwandeln, versprach der US-Präsident. 

16 Dollar Mindestlohn für Mexikos Autobauer

Nicht nur CNN mußte zugeben, daß dessen aggressive Strategie funktioniert. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) konstatierte: „Für den Strategen Donald Trump ist die Einigung – kurz vor den wichtigen US-Halbzeitwahlen – ein weiterer Punkt auf der Habenseite. Auch für die Präsidentschaftswahl in zwei Jahren dürfte ihm die erfolgreiche Nafta-Neuverhandlung Stimmen sichern, zusammen mit der Steuerreform und der Wiederbelebung der Stahlindustrie“, so IW-Ökonomin Galina Kolev.

Das USMCA brüskiert die Demokraten. Ihr Gewerkschaftslager bekämpfte Nafta, konnte aber von Bill Clinton während des Wahlkampfs 1992 zum Stillhalten überredet werden. Das unter George Bush ausgehandelte Abkommen wird für Arbeitsplatzverlagerung und den Niedergang der Autostadt Detroit verantwortlich gemacht. Seit 2000 ist ein Viertel aller Stellen in der Autoindustrie Kanadas und der USA vernichtet worden. Gleichzeitig verdoppelte sich die Beschäftigung in Mexiko. 2017 waren vier Millionen Fahrzeuge „Hecho en México“. Drei Viertel des Autoexports ging in die USA, die selbst 11,2 Millionen Autos produzierten. 1999 waren es 13 Millionen gewesen, in Mexiko 1,5 Millionen.

Deshalb gab es trotz der Spannungen zwischen Trump und Premier Justin Trudeau eine Allianz der USA mit Kanada zu Löhnen und Sozialstandards. Finanzdienstleistungen und geistiges Eigentum werden in das Abkommen aufgenommen, ebenso der digitale Handel, für den nun die Regeln der von Trump gekündigten Transpazifischen Partnerschaft (TPP) gelten. Die Strafzölle bei Stahl und Aluminium bleiben aber in Kraft. Zudem muß künftig der Anteil lokal gefertigter Komponenten bei 75 statt bisher bei 62,5 Prozent liegen. Die neueingeführte Quote für aus Mexiko zollfrei in die USA importierte Fahrzeuge liegt bei 2,6 Millionen – das sind 40 Prozent mehr als das Autohandelsvolumen 2017. Selbst bei Überschreitung betragen die US-Autozölle nur 2,5 Prozent, weil Meistbegünstigungsklauseln greifen. Die EU verlangt hingegen zehn Prozent Einfuhrzoll für Autoimporte aus den USA.

Das USMCA wendet ein Desaster für die deutschen Autobauer vorerst ab. VW produziert seit 1967 in Mexiko. Audi fertigt dort billig seinen Edel-SUV Q5. Die BMW-3er-Limousine soll ab 2019 aus San Luis Potosí kommen. Aber: 40 Prozent der Fahrzeuge, die zollfrei in die USA exportiert werden, müssen von Arbeitern gefertigt werden, die mindestens 16 Dollar pro Stunde verdienen – das Vierfache des mexikanischen Durchschnittslohns. Nur 70 Prozent der Produktion erfüllt diese Anforderung. Allerdings werden Forschung und Entwicklung auf diese Quote angerechnet. Auch mexikanische Lkws, die Güter in die USA transportieren, müssen künftig höhere Sicherheitsstandards erfüllen, ihre Fahrer können sich gewerkschaftlich organisieren.

Bemerkenswert ist, daß Trump seinen Widerstand gegen Schlichtungsverfahren aufgegeben hat. Wie auch beim Internationalen Strafgerichtshof (ICC ) wollte Trump die Souveränität der USA nicht einem internationalen Gremium unterstellen. Ohne Schlichtungsstelle wollte Kanada aber nicht unterschreiben. Aus Sicht konservativer US-Amerikaner ist dies ein schwieriges Zugeständnis. Anders läuft es bei Investorenklagen gegen Staaten, die bisher unter Nafta möglich waren. Sie fallen weg, weil der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer sie als Versicherung dafür ansieht, daß Produktionsverlagerungen weniger riskant werden.

Auch wenn Trudeau beim Schlichtungsverfahren ein Punktsieg einfahren konnte, ist der globale Medienliebling dennoch der große Verlierer. Er öffnet beispielsweise 3,5 Prozent des kanadischen Markts für US-Milchprodukte. Das ist mehr als die 3,25 Prozent, die in TPP vorgesehen waren. Etwas überraschend sind Regeln gegen Währungsdumping. Weder Mexiko noch Kanada werden Währungsmanipulationen verdächtigt. Offenbar sollte ein Präzedenzfall für zukünftige Verträge, insbesondere mit China, geschaffen werden. Ungewöhnlich ist die zeitliche Begrenzung des USMCA auf 16 Jahre. Es erlischt automatisch, sofern es nicht neu verhandelt oder verlängert wird. Dies könnte eine neue Qualität von Handelsabkommen hervorbringen, die nicht mehr wie Nafta veraltete Regeln als Status quo in einer sich rasch wandelnden Wirtschaft festschreiben.

Endgültig beschlossene Sache ist das Abkommen noch nicht, den in allen drei Ländern müssen noch die Parlamente zustimmen. Und gerade in den USA könnte das schwierig werden. Sollten die Demokraten bei den Zwischenwahlen die Mehrheit in einer Kammer erreichen, können sie Trump den Erfolg verhageln, noch dazu einen, der Forderungen der Gewerkschaften umsetzt, die jahrelang von der Demokratischen-Führung übergangen worden waren. Andererseits können sie die Arbeiter und ihre Gewerkschaften nicht erneut düpieren. Die USMCA-Ratifizierung dürfte wieder in eine Schlammschlacht ausarten.

United States-Mexico-Canada Agreement:  ustr.gov

Statistiken zur globalen Autoproduktion: www.oica.net/