© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/18 / 12. Oktober 2018

Wechselbäder der Gefühle
Kopfkino auf der Leinwand: „Verliebt in meine Frau“ von und mit Daniel Auteuil
Sebastian Hennig

Die Boulevardkomödie „Hinter der Fassade“ (L’Envers du décor) des französischen Autors Florian Zeller gelangte vor zwei Jahren am Hamburger St. Pauli Theater zur deutschen Erstaufführung. Nun erscheint sie als filmisches Possenspiel durch den Regisseur und Hauptdarsteller Daniel Auteuil auf der großen Leinwand. Der Titel „Verliebt in meine Frau“ (Amoureux de ma femme) zeugt für einen mehr versöhnlichen Ansatzpunkt der Handlung als ihn die Wendung von der Fassade oder der „Kehrseite der Medaille“ enthält, wie die deutsche Übersetzung des Stücks zuweilen auch betitelt wurde.

Freilich ernüchtert die Kehrseite der Dinge den Betrachter zumeist. Und doch bietet das gelebte Leben Anhaltspunkte zur Wiederverzauberung der in Würde ergrauten Existenz. Diese Einsicht erhebt das Lustspiel über jene derben Schwänke, die sich am Schaden anderer weiden. Nur oberflächlich gehört „Verliebt in meine Frau“ in das Genre der französischen Tolpatsch-Komödien nach Art von Pierre Richard. Daniel Auteuil ist diesmal der Trottel, der sich von seinen gesunden Instinkten zu peinlichen Entgleisungen verleiten läßt.

Die Handlung dieses Films ist so einfach wie schlüssig. Patrick (Gérard Depardieu) hat sich die rassige junge Geliebte Emma (Adriana Ugarte) zugelegt. Emma ist eine temperamentvolle Spanierin mit dunklen Locken, ein Männertraum, wie er durch Filme schwebt. Sie ist die Schauseite der Medaille. Der befreundete Verleger Daniel (Daniel Auteuil) kann nur mit Mühe seine Frau Isabelle (Sandrine Kiberlain) dazu überreden, die beiden zu einem Abendessen einzuladen. Die blendende Sonne der Jugendschönheit wirft ihre Schatten schon voraus. Der domestizierte Mann läßt es sich anmerken. Isabelle ermuntert ihn: „Willst du mir was sagen?“ Seine doppelte Verneinung versteht sie richtig als Bejahung und spürt, daß sich das Ereignis nicht abwenden läßt. Es kommt also, wie es kommen muß. 

Im wirklichen Leben ist dergleichen zumeist eine öde Angelegenheit. Die Geduld und Loyalität aller Beteiligten wird davon über Gebühr auf die Folter gespannt. Der Filmzauber läßt das viel amüsanter werden. Er bedient sich eines Kunstgriffs, der nur ihm zur Verfügung steht. Die reale Handlung springt unmerklich hinüber in das Kopfkino des erotisch aufgekratzten Mannes. Auf der großen Leinwand wechseln kleine Verlegenheiten mit amourösen Visionen ohne jede Grenzmarkierung.

Gebändigte Vorbehalte brechen wieder auf

Freilich ist alles erwartbar in diesem von Klischees gesättigten Film. Aber der Zuschauer erwartet es amüsiert, kann er sich doch mit Niveau unterhalten fühlen. Auteuil charakterisiert sein Werk: „Eine Geschichte, in der es eigentlich mehr um Gefühle denn um Sex geht, dreht sich auch um Freundschaft.“ Daniel wird von der Anwesenheit Emmas verwirrt bis hin zu Sprachfindungsproblemen und motorischen Ausfällen, partiellen Lähmungen und schockartigen Krämpfen. Selbstgefällig genießt Patrick die Ausstrahlung seiner Geliebten und hält sich darauf etwas zugute, weniger spießig zu sein als sein Freund. Ohnehin läßt die Besetzungsänderung im Freundschaftskreis die bisher gebändigten Vorbehalte der Männer gegeneinander wieder aufbrechen.

Daß die Protagonisten sich als vorurteilsfreie Intellektuelle wahrnehmen, verschärft die Situationskomik. In reflektierten Geistesmenschen erwacht die eifersüchtige Gattin, der Renommist oder das brünstige Männchen. Ehe eine glatte Fassade Risse bekommt, wird auf sie alles projiziert, was eine liebeshungrige und nach Schönheit dürstende Männerseele in sich trägt. In den Träumen singt Daniel spanische Lieder zu Gitarre, läßt sich von Emma umschwärmen, die den plumpen Patrick satt hat. In einer Aufführung von Tschechows „Onkel Wanja“ vergießt sie Bühnentränen, die das Onkelchen Daniel ergreifen.

Aber der wechselseitige Genuß schafft auch eine unvergängliche Verbundenheit, die der Titel dekretiert und die letztlich obsiegt. Nicht allein der Kosmetik, vielmehr auch der anhaltenden Zuneigung ihres Mannes hat Isabelle ihre ungebrochene Ausstrahlung zu danken. Wie eine blonde Hera konstatiert sie mit verhaltenem Zorn die jovialen Anfälle der Männer. Letztlich gibt aber gerade deren Triebhaftigkeit ihren zarten Frauenhänden das Steuer in die Hand. Isabelle setzt kleine Impulse, die den Kurs berichtigen. In einem unbeobachteten Augenblick bejubelt sie ihre Genialität. Letztlich hat sie damit auch ganz im Sinne ihres Mannes gehandelt, indem sie seine Irrfahrt mit List und Nachsicht in sichere Bahnen geleitet hat. Was ihn an der jungen Frau blendete, war schließlich nur der Widerschein der schönsten Erlebnisse, deren Erinnerung ihn mit seiner eigenen Frau verbindet.

Es ist bezeichnend für die erfreuliche Tendenz des Films, daß es am Schluß dieser Wechselbäder der Gefühle offen bleibt, wie es mit Patrick und Emma weitergeht, ob sich Daniel die Trennung der beiden nur vorgestellt hat oder ob sie tatsächlich vorgefallen ist. Gemessen am anrührenden Drama der gestandenen Liebesleute ist der Ausgang der Frischzellenkur eines lüsternen Burschen ohne Bedeutung. 

Filmstart am 11. Oktober 2018