© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/18 / 12. Oktober 2018

Aus Anna Wimschneiders Nachlaß: CSU-Inszenierung konterkariert
Falsche Idyllisierung des Landlebens
(dg)

Als Asket ist der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß nicht in die Geschichte eingegangen. Gleichwohl schätzte der barocke Genußmensch das „Zurückstellen persönlicher Bedürfnisse und Wünsche“, wie er der Bäuerin Anna Wimschneider im März 1986 schrieb, die mit der „ungeschminkten Schilderung ihres arbeits- und entbehrungsreichen Lebens“ ein Beispiel gegeben habe, wie sich ein karges Dasein mit „Kraft, Mut und starkem Glauben“ ertragen lasse. Die Botschaft „arm, aber glücklich“, die ihr Landesvater in den Text hineinlas, wollte ihre 1984 rasch eine Millionenauflage erreichende Autobiographie „Herbstmilch“ jedoch gerade nicht vermitteln. Die 1989 von Joseph Vilsmaier an Originalschauplätzen verfilmte Schilderung ihres Überlebenskampfes als Kleinbäuerin im niederbayerischen Rottal, geprägt von körperlicher Gewalt als Erziehungsmethode, von härtester, während des Weltkrieges allein verrichteter Feldarbeit, trug vielmehr dazu bei, die von der Strauß-CSU als „Heimat- und Bayern-Partei“ gern inszenierte Idyllisierung des Landlebens zu konterkarieren. Hunderte von Leserbriefen, die der Autorin über ähnliche Schicksale berichten, bewahrt ihr Nachlaß in der Bayerischen Staatsbibliothek (Bibliotheksmagazin, 2/2018). Lebenszeugnisse, die dokumentieren, daß Wimschneiders Biographie weder in Bayern noch im übrigen Deutschland ein Einzelfall war. 


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