© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

Tichys Konfliktverschärfung
Wirtschaftspublizistik: Zanny Minton Beddoes und Peter Rásonyi erhielten Ludwig-Erhard-Preis
Christian Dorn

Wer die Preisentwicklung beobachtet, muß sich mit der Marktwirtschaft auseinandersetzen. Folglich kommt der Verleihung des Ludwig-Erhard-Preises für Wirtschaftspublizistik eine besondere Aufmerksamkeit zu. Dies ist keine kalauernde Beziehungsstiftung, finden doch hier alljährlich wesentliche Akteure der Berichterstattung zusammen.

Vorige Woche ätzte Roland Tichy, Chef der Ludwig-Erhard-Stiftung, in seiner Eröffnungsrede über die Interventionsspirale, denn – dabei auf Gesundheitsminister Jens Spahn und sein Terminservice- und Versorgungsgesetz anspielend – der Staat entwickle sich nun auch zu einer „Agentur für Terminvergabe“. Daß die CDU auch anders kann, zeigte die Festrede von Ursula Heinen-Esser, NRW-Ministerin für Umwelt- und Verbraucherschutz. Zugleich Vizevorsitzende der Erhard-Stiftung, kritisierte die 53jährige fehlende Distanz der Medien gegenüber dem politischen Betrieb. Daher trügen die Massenmedien eine Mitschuld am Demokratieverlust und dem geschwundenen Vertrauen der Bürger. Deeskalation laute das Gebot der Stunde, weshalb sie vor einer „konfliktverschärfenden Berichterstattung“ warnte.

An die DDR erinnert fühlte sich der Beobachter bei der zwischen den Zeilen geübten Kritik an den Auswüchsen der Mediokratie, so in Italien, wo sich ein Regierungschef viermal hintereinander die Macht gesichert habe – war dies doch als indirekte Kritik an der Kanzlerschaft Angela Merkels zu verstehen. Hieran anschließend war auch Jurorin Dorothea Siems (Die Welt) um Klarheit bemüht, als sie auch ihrer Berufsklasse attestierte, „mitunter in einer Filterblase“ zu sein und sich ihre Wahrheit (Berichterstattung) nach ihrer eigenen Weltsicht zurechtzulegen. Gleichwohl zeigten sich beide befangen in der Mär von Erhards „Sozialer Marktwirtschaft“, deren Mißverständnis ja an der Wiege des Umverteilungsstaates steht (JF 39/18). Die britische Preisträgerin Zanny Minton Beddoes, Tochter einer deutschen Mutter und Chefredakteurin des vor 175 Jahren gegründeten Economist, erinnerte daran, daß ihr Magazin bereits 1958 Ludwig Erhards Leistung gelobt habe, der es – anders als alle anderen Politiker – verstanden habe, die Wirtschaft den Menschen als „ihre“ Sache nahezubringen und verständlich zu machen.

Der zweite Preisträger Peter Rásonyi, repräsentierte ebenfalls ein altehrwürdiges Medium, ist doch die seit 1780 erscheinende Neue Zürcher Zeitung die älteste Tageszeitung im deutschprachigen Raum. Der Sohn ungarisch-deutscher Eltern pries Erhards Bekenntnis zum Wettbewerb als dem besten Weg zum Wohlstand, der bis heute Millionen Menschen das Wohlergehen gesichert habe: „Was für eine Lebensleistung!“ Doch im Koalitionsvertrag der deutschen Bundeseregierung sei „nichts von Ludwig Erhard zu finden.“