© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Rassismus A: In der Oktober-Ausgabe von National Geographic gibt es einen interessanten Beitrag von Ann Curry über die Internierungsmaßnahmen der US-Regierung gegen Einwohner japanischer Herkunft während des Zweiten Weltkriegs. Die Fakten sind nicht neu: Zwischen 1942 und 1946 wurden mehr als 120.000 Personen, etwa zwei Drittel von ihnen waren amerikanische Staatsbürger, zuerst in „Sammel-“ dann in „Umsiedlungszentren“ verbracht, die oft nur aus provisorisch errichteten, bewachten Behausungen in abgelegenen Regionen bestanden. Trotz dieser Demütigung meldeten sich etwa eintausend Männer aus den Lagern freiwillig zum Armeedienst. Sie durften ausschließlich in Europa eingesetzt werden und bildeten einen eigenen Verband, der – gemessen an seiner Mannschaftsstärke – die höchstdekorierte Einheit der amerikanischen Streitkräfte war. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Washington das geschehene Unrecht nach und nach eingeräumt. Was an dem Text von Curry auffällt, ist allerdings die Einordnung in den größeren Zusammenhang der in den USA seit dem Ende des 19. Jahrhunderts betriebenen Rassenpolitik, die auch durch die – weißen – Gewerkschaften gestützt wurde. Dabei ging es nicht nur um die Agitation gegen die „Gelbe Gefahr“, das Zuwanderungsverbot seit den 1920er Jahren, sondern auch die systematische Entrechtung von Bürgern japanischer Abstammung in einzelnen Bundesstaaten wie Kalifornien. Die hysterische Furcht vor japanischen Spionen nach dem Angriff auf Pearl Harbor war insofern nur eine Konsequenz der latenten, nicht zuletzt von der Presse angeheizten Stimmung, und von einem General – John L. DeWitt – wurde im Februar 1942 die Deportation mit den Worten gerechtfertigt: „In diesem Krieg besteht die Zugehörigkeit zu einer Rasse fort, sie ist durch eine frühere Einwanderung nicht gebrochen worden. Und die japanische Rasse ist eine feindliche Rasse. Auch wenn viele Japaner der zweiten und dritten Generation auf amerikanischem Boden geboren sind und sogar die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen.“ Bliebe noch die Frage zu klären, ob derartige Argumente auch eine Rolle für die Praktiken der amerikanischen Kriegsführung im Pazifik spielten, bis hin zum Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki.

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Von „Kritikfähigkeit“ als Tugend war nur so lange die Rede, als man „Kritik“ zur Zerstörung des Bestehenden nutzen konnte. Seitdem man sich den Weg an die Spitze gebahnt hat, weiß man den Durchgriff und den widerspruchslosen Gehorsam zu schätzen und warnt die naiven Anhänger der Vernunft davor, daß es auch ein „zuviel Denken“ geben kann (Bettina Stangneth/Andreas Speit)

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„Wer hat das Land geeint? Zuerst die Kirche, noch früher der christliche Glaube. Sie haben die Könige gemacht. Die Könige haben Frankreich gemacht, was bedeutet, daß sie die Geschichte Frankreichs geschaffen haben. Und die Geschichte Frankreichs hat die verschiedenen Völkerschaften geeint.“ (Eric Zemmour)

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Der Tod Charles Aznavours wurde in Deutschland ohne politischen Kommentar zur Kenntnis genommen. Nicht so in seiner Heimat Frankreich, wo die Linke nicht vergessen hat, daß er zu ihren wenigen Gegnern im künstlerischen Milieu gehörte.

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Selbstverständlich findet niemand etwas dabei, wenn ein Lied kommunistischer Partisanen („Bella Ciao“) die Charts stürmt. Aber was würden unsere Tugendwächter sagen, wenn das „Panzerlied“ der Wehrmacht denselben Erfolg hätte, etwa von einem japanischen Orchester gespielt, dessen Dirigent die Zuhörer auch noch zum Mitklatschen animierte (https://www.youtube.com/watch?v=lzQZfO-Bc_Y)?

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Rassismus B: Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat in einem ganzseitigen Beitrag von Markus Günther auf den Einfluß des Buches „The Passing of the Great Race“ des amerikanischen Rassentheoretikers Madison Grant hingewiesen. Das Buch erschien 1925 in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Der Niedergang der großen Rasse“. Hitler soll es als seine „Bibel“ bezeichnet haben, und tatsächlich sind die Parallelen der Argumentation auffallend, nicht nur was die übliche sozialdarwinistische Unterscheidung von „höherwertigen“ und „minderwertigen Rassen“ betrifft, sondern auch, was die Begeisterung für die „nordische Rasse“ angeht und die Angst vor „Rassenmischung“. Nun könnte man diese Faktenlage einfach zur Kenntnis nehmen und sich der Frage zuwenden, wie die Genese von Hitlers Geschichts- und Menschenbild ausgesehen hat. Aber Günther ist auf der Hut: „Der deutsche Rassenwahn hat also amerikanische Wurzeln? Hier ist Vorsicht geboten. Im Blick auf die amerikanischen Vorläufer der deutschen Rassenpolitik und Euthanasie liegt eine apologetische Versuchung.“ Und wenn man das „faktische Prius“ (Ernst Nolte) schon nicht aus der Welt schaffen kann, dann muß man es wenigstens unter Tabu stellen.


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 2. November in der JF-Ausgabe 45/18.