© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

Blick in die Medien
Es hitlert mal wieder
Tobias Dahlbrügge

Für die Gastautoren-Rubrik „Fremde Federn“ der Franfurter Allgemeinen hat AfD-Chef Alexander Gauland einen Beitrag verfaßt, der die Folgen der globalen Migrationspolitik kritisch betrachtet. Die Panikreaktionen darauf illustrieren den erreichten Grad der Hysterisierung, die jede Debatte in Deutschland inzwischen unmöglich macht.

Zunächst fiel die Meute der Diskurs-Ayatollahs über die FAZ her, die Gauland „ein Forum bietet“. Den Vogel schoß die notorische Fundi-Nudel Jutta Ditfurth ab, die postete: „Die alten rechtsradikalen Netzwerke der FAZ funktionieren noch.“

Dank der Empörung mußte sich niemand mehr mit Gaulands Argumenten befassen.

Dann fiel irgendeinem Nerd auf, daß Gaulands Worte irgendwie Ähnlichkeit mit einem Versatzstück aus einer Hitlerrede hätten. Zwar „nicht wörtlich, aber inhaltlich“, wie der Tendenz-Historiker Wolfgang Benz sekundierte. Herrje, da werden Verfechter von vegetarischer Ernährung oder Verstaatlichung von Kapitalgesellschaften aber demnächst sehr aufpassen müssen! Darauf war auf der Suche nach reichlich Internet­klicks kein Halten mehr: „Hitler-Eklat“ hyperventilierte beispielsweise T-Online. 

Schließlich bemerkte noch der Kulturwissenschaftler Michael Seemann, daß Gauland sich bei einigen Sätzen offenbar von einer früheren Formulierung aus dessen Feder für den Tagesspiegel hatte inspirieren lassen – und warf Gauland prompt ein „Plagiat“ vor. „Das hat mich erschreckt!“, schlotterte der Arme in der Presse.

Wie praktisch, mit den Argumenten Gaulands brauchte man sich so gar nicht mehr auseinanderzusetzen. Trotzdem hat der Gastbeitrag durch das Gegacker der aufgescheuchten Moralhühner maximale Aufmerksamkeit erreicht. Das dürfte den Herrn Erdogan vom Bosporus ziemlich ärgern – denn als er in derselben Rubrik einen recht fragwürdigen Beitrag schrieb, krähte kein Hahn danach. Deutschland gehört auf die Therapeutencouch!