© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

„Ich verstehe nicht …“
Weltbild mit beliebig austauschbaren Gattungsteilnehmern: Wie steinerne Herzen der Grünen auf die „Erklärung 2018“ reagieren
Wolfgang Müller

Die öffentliche Meinung über die  Grünen formen ihre medial omnipräsenten Figuren. Doch nur kritische Beobachter, die sich vom kabarettistischen Unterhaltungswert des Sermons von Claudia Roth & Co. nicht bestechen lassen, sehen in der erschreckenden Geitesschwäche solchen Führungspersonals eine Gefahr für Volk und Nation.

Eine durchaus korrekte Einschätzung, wie die durch Einwanderung und Ener-giewende bisher verursachten kulturellen und sozioökomischen Verheerungen beweisen, die auch auf das Konto dieser gar nicht so heimlichen „dritten Regierungspartei“ gehen. Korrekt, aber unvollständig. Was spätestens die Aufzeichnung der Anhörung zur „Erklärung 2018“ illustriert, die am 8. Oktober im Bundestag stattfand (JF 42/18). In der mausgrauen Gestalt der grünen Bundestagsabgeordneten Manuela Rottmann, die mehrere Jahre sowohl beim Institut für Öffentliches Recht in Frankfurt am Main als auch am Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin tätig war, offenbarte sich eine von eisiger Menschenverachtung zeugende Realitätsferne. 

Eindimensionale Menschen, die in der „Jetztzeit“ leben

Die von ihren Initiatoren Vera Lengsfeld und Henryk M. Broder den fragenden Parteienvertretern erläuterte, von 65.000 Bürgern unterzeichnete „Erklärung 2018“ trägt ein leicht begreifliches Anliegen vor: die Unterbindung illegaler Masseneinwanderung. Ein simpler Sachverhalt, der trotzdem die Auffassungsgabe der promovierten Juristin Rottmann überstrapazierte. Durch ein blasiert wiederholtes „Ich verstehe nicht …“, was in dem konzisen Text steht, gab sie kund, was die Juristin Annette Heinisch ihr und ihrer Partei der steinernen Herzen als menschliches wie politisches Versagen vorwirft: nicht einmal ahnen zu wollen, was Millionen Bürger, deren Sorgen die Petition artikuliert, seit dem „Willkommenssommer“ 2015 umtreibt (Die Achse des Guten vom 10. Oktober 2018). 

Ihre Arroganz und ostentative Gleichgültigkeit gegenüber einer deutschen Schicksalsfrage provozierte den mit mäßigem Erfolg um Contenance ringenden Broder zum Einwurf einer drastischen Sentenz aus dem Repertoire seines Hausgottes Karl Kraus. Doch die Beschwörung eines sprachgewaltigen Zeitdiagnostikers solchen Kalibers erwies sich als stumpfe Waffe, da von historischer Bildung peripher beleckten Yuppies wie der 1972 geborenen Rottmann der Name des 1936 gestorbenen radikalen Aufklärers nichts sagen kann. Als eindimensionaler Mensch lebt sie in der „Jetztzeit“ (Schopenhauer). Daß ohne Geschichtlichkeit humane Existenz unmöglich ist, auch das versteht sie nicht.

In der posthumanen Anthropologie der Grünen hingegen, wie sie sich in den Minuten von Rottmanns Auftritt so schön verdichtete, ist der Mensch nur ein „Konstrukt“. Ein aus dem Humus von Kultur, Volk, Geschichte herausgestochener, beliebig austauschbarer Gattungsteilnehmer. Ein Einzeller im „Sturzbach leerer Gesichter“ (UN-Jargon), den der Mahlstrom des „Migrationszyklus“ wegspült. An der für dieses globale Projekt der Verameisung des Homo sapiens nötigen mentalen Disposition fehlt es Grünen wie Frau Dr. Rottmann so wenig wie einst Stanley Kubricks Dr. Seltsam, der die Menschheit ebenfalls durch die Brille des gefühlstoten Schädlingsbekämpfers betrachtete.          

Annette Heinisch kann darum aus diesem gruseligen Menschenbild grüne Ignoranz gegenüber blutigen Kollateralschäden des multikulturellen Experiments „Umvolkung“ ebenso mühelos ableiten wie dessen ideologische Nähe zur Migration forcierenden „neoliberalen Elite“ des Finanzkapitalismus, für die Menschen lediglich „Objekte“ sind. Womit Heinisch bei Rottmann akkurat ins Schwarze trifft. Deren vom 1949 in Chicago gegründeten, heute global agierenden Anwaltskonzern Becker & McKenzie prämierte Frankfurter Doktorarbeit (2008) widmet sich sympathisierend dem Artikel 86 II des EU-Gründungsvertrags, der als Türöffner für die Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen gilt.