© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

Knapp daneben
Wissenschaftliche Irrelevanz
Karl Heinzen

Deutsche Wirtschaftswissenschaftler rangieren international unter „ferner liefen“. Die Schwächen, die sie in der theoretischen Durchdringung der ökonomischen Realität zeigen, haben auf diese allerdings keine negativen Auswirkungen. Die deutsche Wirtschaft brummt und ist auf den globalen Exportmärkten erfolgreich.

Trotz ihrer geringen Reputation werden ausgewählte deutsche Ökonomen jedoch immer noch in einen „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ berufen, der, so jedenfalls sein gesetzlicher Auftrag, die Politik unparteiisch beraten soll. Ob das, was die sogenannten „fünf Wirtschaftsweisen“ bislang in jährlichen Gutachten und anderen Pamphleten zu Papier brachten, jemals Relevanz besaß, ist umstritten. Wichtiger als die Qualität der Ergebnisse war aber sowieso stets der Proporz der Besetzung. 

Wer Ökonomen durch Handauflegen zu Sachverständigen erklärt, betreibt Etikettenschwindel

Ausgerechnet hieran entzündet sich aktuell Streit. Der gewerkschaftsnahe Peter Bofinger ist zu ersetzen. Achim Truger, der als sein Nachfolger ins Spiel gebracht wird, gilt den Platzhirschen des Rates als nicht satisfaktionsfähig. Eigentlich hätte man den Vorwurf erwarten können, daß er keine Frau ist. Nun denunziert man ihn jedoch als wissenschaftliches Leichtgewicht, weil er so gut wie gar nicht in den einschlägigen Fachzeitschriften publiziert habe und daher auch kaum von anderen Ökonomen zitiert werde. Die wenigen Fürsprecher Trugers wiederum weisen darauf hin, daß es auch noch andere Kriterien für fachliche Reputation geben könnte und er ein echt netter Kerl sei, der als Mitglied des wissenschaftlichen Beirates von Attac seine Meriten erworben habe. Der Bundesregierung, die dem Bundespräsidenten irgendwann einen Kandidaten zur Berufung vorschlagen muß, ist durch diese Diskussion zwar keine Entscheidungshilfe an die Hand gegeben. Ihr bietet sich aber die Chance, einen Fehler Ludwig Erhards zu korrigieren und eine von Anfang an überflüssige Institution aufzulösen. Ökonomen sind keine Wissenschaftler, sondern Vertreter von Glaubenslehren. Wer sie durch Handauflegen zu Sachverständigen erklärt, betreibt Etikettenschwindel.