© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/18 / 26. Oktober 2018

Ländersache: Sachsen
Innere Haltung fehlt
Paul Leonhard

Betrug bei Prüfungen, Hunderte ausgefallene Unterrichtsstunden sowie ein Lehrer, der an illegalen Schleusungen mitgewirkt haben soll. Die Fachhochschule der sächsischen Polizei in Rothenburg kommt derzeit nicht zur Ruhe. Der Stern hatte aufgedeckt, daß ein hoher Beamter vom Dienst suspendiert worden ist, weil er an der Rothenburger Polizeischule Prüfungsaufgaben an Studenten durchgesteckt haben soll.

Der Regierungsrat soll sein Büro verlassen haben, während ein Kurssprecher sich darin aufhielt, und diesem so die Gelegenheit gegeben haben, die geheimen Prüfungsaufgaben ausgerechnet im Fach „Recht und Politik“ für die rund 170 Stundenten des 24. Jahrgangs mit dem Handy abzufotografieren. Die Fotos waren kurze Zeit später von einer Dropbox im Internet abrufbar.

Die Hochschulleitung erfuhr von dem Vorfall, als sich einige Kommissars-

anwärter, die den Betrug ihrer Mitstudenten weder mitmachen noch decken wollten, ihren Dozenten anvertrauten. Wegen der Manipulationsvorwürfe würden bereits strafrechtliche Ermittlungen laufen, bestätigte die Leitung der Fachhochschule der Nachrichtenagentur dpa. Der betreffende Beamte sei vom Dienst suspendiert worden. Doch handelt es sich hierbei nicht um den ersten Betrugsfall. 

Als Ende September 130 neuen sächsischen Kommissaren  ihre Ernennungsurkunden überreicht wurden, fehlten 17 Anwärter. Auch sie sollen bei Prüfungen getäuscht haben. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) zeigte sich von den Vorfällen entsetzt: „Gerade beim Führungsnachwuchs der Polizei kommt es auf innere Haltung und Charakter an.“ Mitarbeiter und Studenten an der Hochschule der Polizei seien in ganz besonderem Maße an Recht und Gesetz gebunden. Der Christdemokrat will die Aufklärung nicht Mitarbeitern seines Ministeriums überlassen, sondern setzt bei der Überprüfung der Hochschule auf externen Sachverstand. Ein Expertenteam soll bereits im November mit der Arbeit beginnen, um im Frühjahr einen Bericht vorlegen zu können.

Hochschulrektor Harald Kogel dürfte die jetzt bekanntgewordene Betrugsaffäre nicht überrascht haben. Auf Nachfrage von Journalisten räumte er ein, daß ein Dozent diesbezüglich bereits vor geraumer Zeit das Gespräch gesucht habe. Damals hätte sich der Verdacht jedoch nicht erhärten lassen. Kogel war bereits in die Kritik geraten, als der innenpolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Sebastian Wippel, im Sommer darauf aufmerksam machte, daß einzelne Jahrgänge bis zu 500 Stunden Unterrichtsausfall haben. Besonders betroffen mit einer Lücke von 909 Stunden war der jetzt im Mittelpunkt der Ermittlungen stehende 24. Jahrgang. „Wir unternehmen sehr viel, um den Stundenausfall zu minimieren“, versicherte Kogel damals und gelobte Besserung.

Klare Worte fordert AfD-Politiker Wippel auch im Fall eines hauptamtlichen Dozenten der Polizeifachhochschule, der zusammen mit seiner Ehefrau an der illegalen Einschleusung und Beschäftigung von Ausländern mitgewirkt haben soll und gegen den aktuell die Staatsanwaltschaft Leipzig ermittelt. Wippel wirft Hochschule und Ministerium vor, sich für den Fall nicht zu interessieren: „Dabei geht es hier um keine Petitesse, sondern eine Straftat, die auch disziplinarische Konsequenzen haben muß“, mahnte er.