© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/18 / 26. Oktober 2018

Hektische Suche nach Bexit-Auswegen
Die Rechnung kommt
Albrecht Rothacher

Bei Scheidungen gibt es bekanntlich nur Verlierer. So auch beim Brexit. Träume, die EU-Institutionen würden sich nach diesem Warnschuß reformieren oder die Briten hätten plötzlich Milliarden für Krankenhäuser übrig, sind ausgeträumt. Statt dessen häufen sich für den schmutzigen Brexit, den Ausstieg ohne Abkommen am 29. März, nur die Kostenschätzungen für beide Seiten.

Deshalb die hektische Suche nach Auswegen. Das Modell Norwegen: Zollunion und EU-Binnenmarkt – Übernahme aller EU-Normen ohne Mitbestimmungsrechte. Die Frage: Warum überhaupt austreten? Modell Schweiz: Selektive Zusammenarbeit, einschließlich Freizügigkeit gegen eine saftige Rechnung. Oder Modell Türkei: Zollunion ohne Freizügigkeit. Auch ein Freihandelsabkommen ist denkbar, aber schwer machbar.

Doch zeichnet sich auch die EU der 27 nicht gerade durch eine große Neigung zum Kompromiß aus. Sicher will man potentielle Wackelkandidaten in Stockholm oder Prag nicht ermutigen. Zudem gibt es das dornige Problem Nordirland, wo man die mühsam verheilten Wunden der irischen Teilung nicht wieder aufreißen will. Nordirland müßte also Teil des EU-Zollgebiets bleiben: Wie soll aber dann seine Grenze zu Rest-England innerbritisch kontrolliert werden? Eine Option wäre, die vom Lissabonner Vertrag gesetzte Austrittsfrist vom 29. März 2019 schlicht zu verlängern, jahrelange Übergangsfristen zu vereinbaren und zu hoffen, die Briten überlegen es sich nach einem am Wochenende von 700.000 Menschen in London geforderten zweiten Referendum doch noch anders. Denn weder ihr Commonwealth noch die Amerikaner haben bislang das geringste Interesse gezeigt, in ersehnte Sonder-Wirtschaftsbeziehungen zu dem einflußlos gewordenen Klein-England zu treten. Einen Sonderstatus hatte das Vereinigte Königreich in der EU immer: ohne den Euro, ohne Schengen und mit kräftigen Budget-Rabatten. Da sollte die EU ein verbessertes Angebot machen.