© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/18 / 26. Oktober 2018

Das jähe Ende eines südlichen Abenteuers
Vor 750 Jahren wurde der letzte Staufer Konradin in Neapel hingerichtet: Ende der deutschen Herrschaft in Sizilien
Jürgen W. Schmidt

Als man sich im 19. Jahrhundert im Hochgefühl nationalen Aufschwungs auf das deutsche Mittelalter zu besinnen begann, geriet vor allem die Zeit der staufischen Kaiser wegen ihres äußeren Glanzes ins Blickfeld. Kaiser Friedrich I., von den Italienern wegen seines rotblonden Bartes „Barbarossa“ genannt, wurde zum Synonym eines vorgeblich machtvollen Deutschen Reiches, wie es dann 1871 unter der Hohenzollern-Dynastie wieder errichtet wurde. Doch bildete gerade unter den staufischen Kaisern äußerer Glanz und innerliche Stärke des Reiches keine Einheit. 

Das nach einer Burg auf dem Berg Hohenstaufen unweit Göppingen als „Staufer“ bezeichnete adelige Geschlecht saß ursprünglich im Riesgau, im Riesgebiet um Nördlingen. Vorrangig in Schwaben besaß die Familie, deren Mitglieder ungemein häufig den Vornamen Friedrich trugen, ihren Grundbesitz. Etwas später kamen erheiratete Güter im Elsaß hinzu. Eng an die Herrscherdynastie der Salier angelehnt, vollzog sich im 11. Jahrhundert ein schneller Aufstieg der Familie in den deutschen Hochadel, welchen eine geschickte Heiratspolitik begleitete. 

So ehelichte Friedrich, der Erbauer der Burg Hohenstaufen, die Kaisertochter Agnes und stieg 1079 zum Herzog von Schwaben auf. Nunmehr gehörten die Staufer zu den edelsten Familien im Deutschen Reich und  bereits sein Enkel, eben jener „Barbarossa“, errang als erster Staufer die Kaiserwürde. Den Weg zur Kaiserwürde hatte Konrad III., der Onkel Friedrichs I., vorgebahnt, der zwar als „Gegenkönig“ zum deutschen König gewählt wurde, aber noch vor seiner Kaiserkrönung verstarb. Gemäß den Traditionen der Familie heiratete Kaiser Friedrich I. „reich“. Mit seiner zweiten Frau Beatrix erheiratete er nämlich die Freigrafschaft Burgund, die für die ständigen Italienzüge der deutschen Kaiser strategisch und logistisch wichtig war. 

Deren ständiger „Drang nach Süden“ besaß einen machtpolitischen Inhalt. Golo Mann hat ihn mit dem Aspekt beschrieben: „Die Italienzüge der deutschen Kaiser sollten nicht das Reich mehren, sondern eine gültige Ordnung wieder herstellen, die verwilderte Wirklichkeit unter die Idee zwingen. Sie sollten, praktisch, dem Kaiser in Italien die Machtmittel gewinnen, die sie in Deutschland nicht hatten und durch die sie Deutschland zu unterwerfen hofften, ein Zweck, der nie erreicht wurde.“ Obwohl in Süddeutschland mächtig, hatten die Staufer im Reich immer mit offenem Widerstand anderer hochadeliger Geschlechter, vor allem der gerade in Norddeutschland starken Welfen zu rechnen.

Als deutsche Kaiser wiederum erbten sie von ihren salischen Vorgängern den Konflikt mit dem jetzt nicht nur als geistliche Macht, sondern auch als weltliche Macht immer stärker seinen universalen Herrschaftsanspruch anmeldenden Papsttum, das die deutschen Kaiser zwei Jahrhunderte in Italien gebunden hatte. 

Ein geschickter staufischer Schachzug war es folglich, als der Sohn von Friedrich Barbarossa, welcher als Heinrich VI. seinen Vater als Kaiser beerbte, 1186 die Erbtochter von König Roger II. von Sizilien ehelichte. Damit fiel den Staufern das normannische Königreich im Süden der italienischen Halbinsel als neue Machtbasis in die Hände. Nunmehr bildete Schwaben nur noch eine Hälfte der staufischen Macht, man stützte sich zukünftig immer stärker auf das Königreich Sizilien. 

Vernichtende Niederlage gegen die Franzosen

Schon der Sohn von Kaiser Heinrich VI., der in Ancona geborene Kaiser Friedrich II., welcher als „stupor mundi“ (Staunen der Welt) galt, hatte nach Deutschland kaum noch größere Beziehungen. Er wuchs, nachdem sein machtbewußter Vater Heinrich VI. mit gerade erst 31 Jahren in Messina an Malaria und Ruhr verstorben war, in Süditalien auf. Friedrich II., dem Ernst Kantorowicz eine monumentale, den Kaiser sehr idealisierende Biographie gewidmet hat, war die letzte große staufische Herrscherpersönlichkeit. 

Doch auch er rieb sich im Kampf mit dem Papsttum und den Welfen im Reich auf. Bei seinem Tod im Dezember 1250 im Castell Fiorentino nahe Lucera hinterließ er zwar ein immer noch mächtiges Deutsches Reich und neben dem Königstitel von Sizilien zusätzlich noch den des von ihm erheirateten Königreichs Jerusalem. Kaiser Friedrichs einziger Sohn Konrad IV. brach deshalb sofort nach Friedrichs Tod von Bayern auf, wo er soeben nach Heirat mit einer Wittelsbacherin einen Sohn gezeugt hatte, um die Macht im Königreich Sizilien zu übernehmen. Konrad IV. gelang es allerdings nicht, seine Kaiserkrönung durchzusetzen, vielmehr starb er selbst vier Jahre nach dem Vater in Süditalien auf einem Kriegszug an Fieber. 

Nunmehr ruhte die Dynastie der Staufer allein auf dem nachgeborenen Sohn Konrads IV. Auch dieser, 1252 auf Burg Wolfstein bei Landshut geborene Staufer namens Konradin brach sogleich mit 16 Jahren zwecks Sicherung seiner Eigenmacht nach dem Königreich Sizilien auf, um den vom Papst ermunterten Usurpator Karl von Anjou zu vertreiben. Am 23. August 1268 standen sich Konradin und Karl von Anjou bei Tagliacozzo in den Abbruzzen zur Entscheidungsschlacht gegenüber. Ein stürmischer Angriff der deutschen Ritter fegte zwei französische Treffen hinweg, doch das unverhoffte Eingreifen einer starken französischen Reserve wendete das Blatt. Die Schlacht ging verloren und Konradin floh. Auf der Flucht ergriffen, wurde er zwei Monate später am 29. Oktober 1268 in Neapel hingerichtet. Damit war die einst so glanzvolle Stauferdynastie ausgelöscht.