© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/18 / 26. Oktober 2018

Knapp daneben
Ein Stück Volkskultur
Karl Heinzen

Bastian Schweinsteiger gilt als Leitfigur der letzten Generation deutscher Fußballer, die noch auf internationale Erfolge hoffen durfte. Anders als Philipp Lahm, der als offizieller Träger der Kapitänsbinde des Weltmeisters von 2014 durch seinen Habitus stets den Anspruch zur Schau stellte, der gesellschaftlichen Elite anzugehören, verkörperte er dank Dialekt und Aufgeschlossenheit für bayerische Folklore den volkstümlichen Typ des Profi-Kickers, den man sich gut und gerne auch beim Wunder von Bern hätte vorstellen können.

Heute klingt Schweinsteigers Karriere beim US-amerikanischen Club Chicago Fire aus, und auch wenn dabei sicher etwas mehr als ein Gnadenbrot herausspringt, muß er doch sehen, wo er bleibt. Noch ist sein guter Name etwas wert, und daher freut sich die deutsche Automatenwirtschaft, ihn als Gesicht einer Kampagne gewonnen zu haben, die dem Haß auf das Glücksspiel entgegentritt. In den deutschen Spielhallen geht es anständig zu, so die Botschaft, die er in Spots und auf Plakaten weiterträgt. Im Gegensatz zum Internet sind sie kein rechtsfreier Raum.

Solange Spielhallen profitabel sind, tragen sie zur Umverteilung von unten nach oben bei.

Man kann Schweinsteiger abnehmen, daß er hinter dem steht, was er verkündet. Eine Spielhalle aufzusuchen ist schließlich fast wie Mannschaftssport. Man muß die eigenen vier Wände verlassen, eine gewisse Strecke zurücklegen und kommt dabei auch noch unter Leute. Zudem sind Spielhallen so etwas wie ein Stück bodenständiger Volkskultur. Es gab sie schon vor dem Internet, in dem die Abzocker aus Malta, Gibraltar und der Karibik ihr Unwesen treiben. Vor allem aber sind sie ein Lichtblick im Alltag der Massen, da sie den Glauben wachhalten, im Leben würde einem das große Los über den Weg laufen. Sozialer Aufstieg durch eigene Arbeit ist in unserer Gesellschaft nur den wirklich guten Profifußballern möglich. Ob man dazu das nötige Talent hat, merkt man sehr früh. Danach bleibt nur noch das Glücksspiel. Niemand muß aber befürchten, Spielhallen könnten eine Flut von Neureichen ausspucken. Solange sie profitabel sind, tragen sie unter dem Strich zur Umverteilung von unten nach oben bei.