© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/18 / 02. November 2018

Inge Gräßle. Die deutsche Europaabgeordnete ist der Schrecken der Eurokraten
Rächerin der Enterbten
Arnulf Rall

Über die „gräßliche Gräßle, diese Kuh“, beschwerte sich eine britische EU-Beamtin. Ihr Kollege klagte, er finde sie „sehr deutsch, also kalt und selbstgerecht“. Wer ist die 57jährige, die den Apparat der EU in Angst und Schrecken versetzt?

Im persönlichen Umgang ist die eigentlich unscheinbare Frau charmant und witzig. Doch hört bei ihr als echter schwäbischer Hausfrau beim Geld und dem Geruch von Mißwirtschaft und Korruption der Spaß auf! Keine schlechte Voraussetzung als Chefin des EU-Haushaltskontrollausschusses, der der Kommission in Finanz-und Managementfragen auf die Finger schaut. 

Mit 35 wurde die aus dem württembergischen Heidenheim stammende Romanistin und Journalistin für die CDU in den Stuttgarter Landtag gewählt. Vor 15 Jahren wechselte sie ins Europäische Parlament und sorgt seitdem – seit drei Jahren leitet sie den Ausschuß – bei Freund und Feind für Heulen und Zähneklappern. Auf schwäbische Art macht sie ihren Unwillen durchaus auch laut und deutlich hörbar. Dem tschechischen Premier Andrej Babis, gegen den wegen Subventionsbetrug ermittelt wird, warf sie fortgesetzte Interessenkonflikte vor, wegen des weiteren Bezugs von EU-Agrargeldern für seine Holding Agrofest. Die griechische Syriza-Regierung attackierte sie wegen mangelnden Reformwillens, den überbesetzten Beamtenapparat zu stutzen, die rumänischen Sozialisten wegen der Unterschlagung von EU-Geldern und EVP-Parteifreund Viktor Orban wegen angeblich sein Umfeld begünstigender öffentlicher Auftragsvergaben. 

Als eifrige Leserin von Rechnungshofberichten läßt Gräßle auch an den Ausgaben der EU-Strukturfonds, die von den Staaten oft für Überflüssiges verjubelt werden, kein gutes Haar. Und adressiert an die politische Konkurrenz in diesem Ausgabenparlament meinte sie: „Die Sozis wollen wie immer nur mehr Geld für alles. Irre dieser Glaube, daß mehr Geld Probleme löst!“ Aber auch Parteifreunden tritt sie auf die Füße. So als unlängst Jean-Claude Junckers Kabinettschef Martin Selmayr, nach frappanter Blitzkarriere in der Kommission, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zum Generalsekretär wurde. 

Und der Lohn des unter EU-Abgeordneten höchst unüblichen Bienenfleißes? Inge Gräßle wurde im Mai auf ihrer CDU-Landesliste wieder auf Platz 5 gereiht. Vor ihr vier alteingesessene Hinterbänkler. Der Schönheitsfehler: Anno 2014 holte die CDU Baden-Württemberg noch 39 Prozent, was knapp für ein Mandat reichte. 2016 aber trudelte die Union bei der Landtagswahl auf 27 Prozent herab und ist seitdem Juniorpartner der Grünen. Bei der Europawahl im Mai 2019 dürfte damit die politische Laufbahn der Unerschrockenen zur Erleichterung vieler EU-Subventionsbetrüger und Apparatschiks und zum Schaden der Steuerzahler zu Ende sein.