© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/18 / 02. November 2018

Mit dem Herbst kommen die Extremisten
Kohle II: Die Proteste rund um den Hambacher Forst eskalieren erneut / Mutmaßlicher Brandanschlag auf Bergarbeiter-Busse / Verfassungsschutz warnt
Karsten Mark

Für Braunkohle-Gegner hätte der Sommer kaum besser laufen können. Nicht nur, daß die lange Hitze- und  Trockenphase ihre Warnungen vor einer Klimakatastrophe zu untermauern schien, sie förderte auch ganz wesentlich die Lust aufs Demonstrieren. Mehrere zehntausend Naturfreunde, darunter viele Familien mit Kindern und selbst Senioren, kamen Anfang Oktober bei strahlendem Spätsommerwetter zum „kollektiven Waldspaziergang“ gegen die Rodung des Hambacher Forsts im Rheinland. Daß nebenbei auch eine bekannte Deutschpop-Kapelle gratis am Waldrand aufspielte, dürfte ein Übriges zum Publikumserfolg beigetragen haben.

Die Sicherheitsbedenken der Polizei jedenfalls, die die Veranstaltung zuerst verboten hatte, schienen niemanden abgehalten zu haben. Warum auch, schließlich war von den befürchteten Chaoten weit und breit nichts zu sehen. Der Protest werde seit Räumung der Baumhäuser durch die Polizei „zunehmend bürgerlicher“, darin waren sich die meisten Medien einig, und Politikwissenschaftler sprangen ihnen zur Seite: Umweltaktivisten neigten kaum zur Gewalttätigkeit.

Mit dem Ende des warmen Wetters scheint sich das Protestpublikum nun genauso schlagartig zu wandeln. Statt Zehntausender sind es nur noch Tausende, die am letzten Oktoberwochenende angereist sind. Dafür sind diese nicht gekommen, um nur für einen netten Samstagnachmittag zu bleiben. Sie ketten sich an die Gleise der Werksbahn, die die Braunkohle aus dem Tagebau zu den Kraftwerken bringt, besetzen einen der gigantischen Bagger, blockieren eine Autobahn sowie Nahverkehrszüge und beschäftigen die Polizei damit mehr als 24 Stunden lang. Auf ihren Protestplakaten geht es nicht mehr unbedingt um die bedrohten Bäume. „Kapitalismus“, ist da etwa zu lesen, sei „kein Naturgesetz“. Auf einer Solidaritätsveranstaltung im 400 Kilometer entfernten Tübingen werden die Aktivisten noch wesentlich deutlicher: „Systemwechsel statt Klimawechsel! – Verbrennt Bullen statt Kohle!“

Der Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, warnt seit Monaten, die Aktivisten eines der federführenden Protestbündnisse namens „Ende Gelände“ interessiere „nicht der Klimawandel, sondern einzig und allein der Systemwechsel“. Für diese These spricht der Umstand, daß bei „Ende Gelände“ die „Interventionistische Linke“ ganz wesentlich die Fäden zieht. Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt sie als „die mobilisierungsstärkste Organisation im Linksextremismus“. Sie verzichte „auf die offene Propagierung von Gewalt, um auch Nicht-Extremisten für ihre Positionen zu gewinnen“.

Abseits inszenierter Proteste sehen sich nicht nur der Energiekonzern RWE, der die rheinische Braunkohleverstromung betreibt, sondern auch weitere Firmen, die von radikalen „Klimaschützern“ zu Feinden erklärt worden sind, kriminellen Racheaktionen ausgesetzt. Anfang Oktober brannte in Willich eine Lagerhalle eines Maschinenverleihers nieder, in der Hebebühnen lagerten, wie sie im Hambacher Forst zur Räumung der Baumhäuser zum Einsatz gekommen waren. Bittere Ironie dabei: Die Hebebühnen im Forst stammten tatsächlich von anderen Firmen.

Einer dieser tatsächlichen Verleiher beeilte sich nun zu verkünden: „Wir waren und sind mit der Vorgehensweise im Hambacher Forst absolut nicht einverstanden.“ Gemeint war das Vorgehen der Polizei. Seine Bühnen zog er umgehend ab. Ende Oktober brannten dann vier Reisebusse auf einem Betriebshof im Kreis Düren aus. Das betroffene Familienunternehmen hatte zuvor die Bergarbeiter zu einer Pro-Kohle-Kundgebung gefahren.