© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/18 / 02. November 2018

Erfolgsmodell „selektionierte Einwanderung“
Libertäre Vorbereitung zum Afrika-Gipfel: Das alljährliche „Forum Freiheit“ in Berlin-Mitte diskutiert Alternativen zur Politik der offenen Grenzen
Christian Dorn

Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt, wer hat soviel Pinke-Pinke, wer hat soviel Geld?“ Der Refrain des legendären Schlagers von 1949 hat nichts an Aktualität eingebüßt. Dies beweist, wenige Tage vor dem Afrika-Gipfel in Berlin, das alljährliche „Forum Freiheit“ in der FDP-Zentrale. Auch diesmal ist das Podium der von der Hayek-Gesellschaft ausgerichteten Tagung hochkarätig besetzt, da es um den Wohlfahrtsstaat als Allmende geht, oder genauer: dessen Tragödie angesichts der millionenfachen Zuwanderung in den deutschen Sozialstaat. So erklärte der Ökonom Wolf Schäfer, Vorsitzender der Hayek-Gesellschaft, daß es „immer ein diskriminierendes Innen und Außen“ gebe und daher kein Recht des Migranten auf die Auswahl seines Ziellandes und die sofortige Teilhabe an dessen Sozialsystem.

Hieran anschließend erklärte der liberale schweizerische Vordenker und Publizist Robert Nef, daß das Modell einer freien Migration mit dem Konzept des Wohlfahrtsstaates unvereinbar sei. Die Schweiz sei durch ihre „selektionierte Einwanderung“ ein Erfolgsmodell geworden, da deren Immigranten nur durch Zuwahl Eintritt in die Eidgenossenschaft erhalten. Der Theologe Martin Rhonheimer erinnerte, daß es zwar ein Recht auf Auswanderung, aber keines auf Einwanderung gebe.

Freihandel ist wichtiger als Personenfreizügigkeit

Für den Politologen Werner J. Patzelt ist die Übernutzung des Sozialsystems durch die Massenmigration auch auf die politisch-mediale Einstellung zurückzuführen, die dieses Phänomen ohnmächtig wie eine Naturgewalt betrachte. Hier stand der Sozialdemokrat Thilo Sarrazin zur Seite, der sogleich praktische Vorschläge machte, mit denen die als „Fluchtmigration“ verharmloste illegale Einwanderung sofort zu stoppen wäre, zumal ohnehin weniger als 0,5 Prozent der Asylbewerber anerkannt würden. 

Dazu gehöre zunächst die Erkenntnis, daß Wohlstand, Sicherheit und Rechtsstaat nicht abhängig vom Standort auf der Welt seien, sondern von seinen Menschen und seiner Kultur. Hieran knüpfte der Ökonom Thomas Mayer an („Die Ordnung der Freiheit und ihre Feinde“), der die liberale Gesellschaftsordnung durch eine Regelgemeinschaft und eine Personenfreizügigkeit gekennzeichnet sieht, wobei die Zuwanderung in eine komplexe Regelgemeinschaft nur begrenzt und gezielt möglich sei, siehe Schweiz. 

So warnte der einstige Chefvolkswirt der Deutschen Bank vor dem von der Weltbank prognostizierten demographischen Wachstum in Afrika und dem Nahen Osten von 2010 bis zum Jahr 2050 um 1,6 Milliarden Menschen. Wanderte von dieser Zahl allein nur jeder Dritte in die EU ein, wäre dies ein zusätzlicher Ausländer pro EU-Bürger. Um so bedeutender sei der Handel als Substitut für den Faktor Wanderung. Dies unterstrich der Soziologe und Politologe Erich Weede, da der Freihandel wichtiger sei als Personenfreizügigkeit und offene Grenzen. Zudem habe der Freihandel durch seine wirtschaftliche Interdependenz eine nicht zu unterschätzende pazifizierende Wirkung, gerade angesichts der aktuellen Entwicklung, da der Hegemon USA von China abgelöst zu werden droht. Steigt doch (laut wissenschaftlicher Studien) bei dem Wechsel einer Vorherrschaft die Kriegsgefahr auf deutlich über 50 Prozent.

Angesichts des demographischen Drucks aus Afrika, wo die Bevölkerung jährlich um 40 Millionen Menschen wachse, so Sarrazin, seien Deutschlands Grenzen unverzüglich zu schützen. Mit jedem Einwanderer, dessen Einkommen unter dem Durchschnittswert des Aufnahmelandes liegt, sinke automatisch der Wohlstand in Deutschland. Daher müsse die Rechtsstellung der illegalen Einwanderer so geändert werden, daß diese gar nicht erst zum Subjekt des deutschen Rechtsstaates werden. Deshalb müsse der Aufenthaltsstatus durch die Einrichtung restriktiver Transitzonen vermieden werden, von wo die abgelehnten Immigranten ohne jedes Einspruchsrecht unverzüglich und ausnahmslos in ihre Herkunftsländer abzuschieben seien. Verweigerten letztere die Rücknahme, seien die Flüchtlinge mit militärischer Gewalt zurückzubringen. Freilich widerpräche das dem hiesigen Zeigeist. So sieht der Medienwissenschaftler Norbert Bolz gegenwärtig einen deutschen „Größenwahn, im Guten die Besten zu werden – nachdem wir es im Bösen waren“.