© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/18 / 02. November 2018

Volksvermögen erhalten
Mehr als siebzig Jahre nach Kriegsende: Polens Staatspräsident fordert von Deutschland Reparationen
Richard Stoltz

Einige angeblich hochaktuelle und ungemein brisante Themen der innereuropäischen Politik lassen sich wirklich nur noch satirisch behandeln, soweit man ihnen überhaupt noch Worte widmen mag. Dazu gehört die neuerdings immer wieder mit höchstem Aplomp von der polnischen Regierung erhobene  Forderung an Deutschland, endlich Reparationen für die Zerstörungen zu zahlen, die die deutschen Truppen während des Zweiten Weltkrieges in Warschau und anderen polnischen Orten angerichtet hätten,

Phantastische Zahlen werden genannt, ohne auch nur an irgendeiner Stelle konkret zu werden. Soeben hat sich Staatspräsident Andrzej Duda (46) höchstpersönlich zu Wort gemeldet. Gegenüber der Bild am Sonntag verlautbarte er, diese Schäden seien „nie ausgeglichen“ worden. Er verwies, statt Fakten zu nennen, auf ein Gutachten des früheren Präsidenten Lech Kaczynski, dem zufolge die Deutscnen „im Zuge des Warschauer Aufstandes und dessen Niederschlagung die polnische Hauptstadt beinahe vollständig zerstörten“.

So werden die präsidialen Gutachten wie auf einem Smartphone hin und her geschoben, offenbar um vergessen zu machen, daß der Krieg vor mittlerweile über siebzig Jahren zu Ende ging und daß Polen danach ungeheure Summen aus dem deutschen Volksvermögen zugesprochen bekam.

Es erhielt, um es klar beim Namen zu nennen, fast ein Viertel des gesamen Territoriums des besiegten Deutschlands zur Ausbeutung zur Verfügung gestellt, Schlesien, Hinterpommern, Ostbrandenburg, halb Ostpreußen. Die ursprünglischen Besitzer wurden ermordet oder – natürlich entschädigungslos – enteignet und vertrieben.

Faktisch niemand  in Deutschland denkt mehr an Aufrechnung oder gar Korrektur; die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind gut. Viele eher komservativ denkende Deutsche bewundern die Akkuratesse und historische Genauigkeit der polnischen Architekten und  Restaurateure bei der Bewahrung des gemeinsamen  Kulturerbes, außerdem findet man es richtig, daß sich Warschau von Brüssel nicht alles gefallen läßt. Bombastisches Reparationsgeschrei à la Duda & Co. stört da nur.