© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/18 / 02. November 2018

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Im Zusammenhang mit dem „Lehrerpranger“, den die AfD initiiert hat, um abträgliche Äußerungen von Pädagogen zu sammeln und über eine Netzseite zu veröffentlichen, hat Thomas Gutschker eine interessante Betrachtung angestellt. Im Kern geht es um Erfahrungen, die wir miteinander teilen: die linke Politisierung des Unterrichts in den siebziger Jahren durch den Einzug einer ganzen Generation „progressiver“ Lehrer, insbesondere in den geisteswissenschaftlichen Fächern und flächendeckend in der „Gemeinschaftskunde“. Gutschker meint nun, daß man dem Problem als aufgeweckter Gymnasiast damals begegnen konnte, indem man sich alternativ – etwa über die FAZ – informierte und dann den Vertretern des linken Zeitgeistes Paroli bot. Zudem gebe es den „Beutelsbacher Konsens“, der die Überwältigung des Schülers durch den Lehrer ausdrücklich untersage (und, nebenbei gesagt, das Prinzip der „Kontroversität“ festschreibt). Insofern brauche es keine Maßnahme wie die von der AfD angestrengte. Die Plausibilität dieser Argumentation ist nur eine vordergründige, denn: 1. Die von Gutschker selbst angeführte Tatsache, daß es weiland in den Kollegien noch Männer in Anzug und Krawatte gab, die CDU oder FDP wählten, hat sich längst erledigt; 2. Es existiert heute weder eine nennenswerte Zahl von Lehrern mit bürgerlichen Auffassungen, noch eine Frankfurter Allgemeine, auf die Verlaß wäre; 3. Der „Beutelsbacher Konsens“ hat gar keine Verbindlichkeit, wurde von den Linken im Regelfall sowieso als Formalie angesehen oder als Waffenstillstand, den man notgedrungen akzeptierte, bevor es zum Endkampf kam; 4. Und falls dieser Hinweis jemandem nicht genügt, der unterhalte sich gelegentlich mit den eigenen oder fremder Leute Kinder über die Art und Weise, wie das Thema „Rechts“ im Unterricht gestaltet wird oder werfe einen Blick auf das einschlägige Material zum Zweck politischer Bildung.

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„Diese Welt hat nur einen Sinn, wenn man sie zwingt.“ (Batman)

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Max Webers Unterscheidung der drei Herrschaftsformen – der traditionalen, der charismatischen, der rationalen – verstellt manchmal den Blick darauf, daß diese Varianten ineinander übergehen können. Das gilt etwa im Fall der Monarchie, die ohne Zweifel den traditionalen Herrschaftsformen zuzurechnen ist, aber gelegentlich der Erneuerung durch einen Charismatiker bedarf. Man kann das zum Beispiel am Fall des hartleibigsten Legitimismus – dem der spanischen Karlisten – ablesen. Als sich deren Prätendent Don Jaime unwillig zeigte, den Kampf um die Krone aufzunehmen, verließ ihn seine Anhängerschaft; ihm fehlte das, was sie die „Legitimität der Tat“ nannte. Auf der anderen Seite hat das belgische, das dänische und das britische Königtum im 20. Jahrhundert eine Erneuerung durch seine „Heldenkönige“ erfahren. Das gilt für Albert I., der nach der deutschen Invasion 1914 den Kampf mit dem Rest seiner Armee von Frankreich aus fortsetzte; seine Frau diente als Krankenschwester, sein Sohn, der Thronfolger, als Front-offizier. Das gilt für Georg VI., der während des Zweiten Weltkriegs trotz der Bombardierung in London ausharrte und nicht dem Beispiel jenes Teils der Oberschicht folgte, der nach Übersee floh. Das gilt für Christian X., der trotz der deutschen Okkupation in Dänemark blieb (anders als sein Bruder Harald V., der König von Norwegen), so gut es ging für seine Untertanen eintrat und wesentlichen Teil an der Rettung von mehreren tausend Juden hatte, die ins neutrale Schweden fliehen konnten.

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Man sollte eine Fernsehserie nicht vor der zweiten Staffel loben.

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Der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein hat auf der Netzseite der Staatskanzlei folgenden Text veröffentlichen lassen: „Der Kieler Matrosenaufstand gilt als eines der bedeutendsten Ereignisse in der deutschen und europäischen Geschichte. Von Kiel aus verbreiteten sich die Unruhen durch das ganze Land und sorgten so letztlich für Kriegsende, Abdankung des Kaisers und die Umwandlung des Kaiserreiches in eine parlamentarische Demokratie.“ Unsinn.

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„Ach, die Revolution ist nicht gewachsen, die ist gemacht worden.“ (Kurt Eisner, Führer der USPD in München 1918)

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Die Bundesrepublik hat keine Kriegsflagge, und die Bundeswehr erhielt ihre Truppenfahnen erst 1965, einheitlich gestaltet in den Farben Schwarz-Rot-Gold. Die haben einen ausgesprochen zivilen Charakter. Aber gänzlich mangelt unserem Dreifarb der kriegerische Ruhm doch nicht. In der kleinen Kirche St. Jacobi zu Schwabstedt in Schleswig gibt es eine Gedenktafel für die Männer des Ortes, die während des Aufstands gegen die dänische Herrschaft 1850 ihr Leben verloren. Über der Inschrift hat man zwei Fahnen dargestellt: das Blau-Weiß-Rot Schleswig-Holsteins und das Schwarz-Rot-Gold, unter dem die deutschen Verbände nach der Märzrevolution kämpften.


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 16. November in der JF-Ausgabe 47/18.