© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/18 / 02. November 2018

Medien in der Postdemokratie
Simulierte Staatsferne der ersten und zweiten Reihe
Oliver Busch

Das liberal-demokratische Menschen- und Weltbild, das dem gesetzlich fixierten „öffentlichen Auftrag“ der deutschen Rundfunkanstalten zugrunde liegt, stammt aus dem 19. Jahrhundert. Es setzt eine klare Trennung zwischen dem Staat und der Gesellschaft mit ihren gebildeten, urteilsfähigen Bürgern voraus, die im Parlament über alle Spielregeln des Zusammenlebens mitentscheiden, die Freiheit und Eigentum betreffen.

Ganz im Sinne dieser Ideologie lautet der Programmauftrag von ARD und ZDF heute noch, primär „Bildung, Information, Beratung, Kultur“ sowie, fast nebensächlich, „Unterhaltung“ anzubieten, um täglich den „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ und die „freiheitlich- demokratische Grundordnung“ zu festigen. Dieser Aufgabe entspreche der Rundfunk optimal, wenn „Objektivität, Unparteilichkeit, Meinungsvielheit und Ausgewogenheit“ sein Angebot dominieren.  

Soweit das antiquierte Ideal. Mit den Realitäten des digitalen Zeitalters hat es kaum mehr etwas zu tun, wie die Kommunikationswissenschaftler feststellen, die die Bundeszentrale für politische Bildung um Beiträge zum Thema „Medienpolitik“ gebeten hat (Aus Politik und Zeitgeschichte, 40–41/2018). Die seit dem Mauerfall in Europa entstandenen postdemokratischen Verhältnisse, wo Wahlen, Parlamente, Volkssouveränität lediglich Fassadenfunktionen erfüllen, müssen zwangsläufig mit tradierten Begriffen von Öffentlichkeit kollidieren, die voraussetzen, daß politische Willensbildung in nationalstaatlich verfaßten Gesellschaften stattfindet. Demokratietheoretiker wie Fritz W. Scharpf haben bereits in den 1990ern erkannt, daß angesichts der von nationalen Eliten forcierten Kompetenzverlagerungen „nach Europa“ den Medien nur die Rolle blieb, in ihren Wirklichkeitskonstruktionen Demokratie zu simulieren. 

Für den Medienhistoriker Lutz Hachmeister werde daher die „globale Kapitaldynamik“ chinesischer und US-Konzerne die Puppenstubenwelt des deutschen Rundfunk-Föderalismus bald einstürzen lassen. Davon kündet der sichtbarer werdende krasse Kontrast zwischen Schein und Sein, der die Empörung über dreiste Manipulationen der „Lügenpresse“ anheizt. 

Ebenso Glaubwürdigkeit zersetzend dürfte sich, wie Maria Karidi (München) fürchtet – neben der Kommerzialisierung, die den Bildungsauftrag ad absurdum führt – das permanent verletzte Gebot der Staatsferne auswirken. Dabei sei die Summe der bisher bekannten Formen parteipolitischer Einflußnahme in Rundfunkräten lediglich „die Spitze des Eisbergs“.