© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/18 / 09. November 2018

Die Spezi is o’zapft
Bayern: Lautlos bilden CSU und Freie Wähler eine Koalition / Söder wiedergewählt
Thorsten Brückner

Ein halbes Jahr haben sich Union und SPD nach der Bundestagswahl im September 2017 für die Regierungsbildung Zeit gelassen. In Bayern gingen auch in Sachen neuer Regierung die Uhren einmal mehr anders. Notgedrungen. Die bayerische Verfassung setzt dafür einen engen Zeitrahmen. Maximal vier Wochen dürfen zwischen der Wahl des Landtags und der des neuen Regierungschefs vergehen. Diese Frist mußten CSU und Freie Wähler nicht ausschöpfen. Bereits am 6. November, und damit nur knapp drei Wochen nach der Landtagswahl, votierte der Landtag für Markus Söder als Ministerpräsidenten. Eine Stimme fehlte aus den Reihen der Spezi-Koalition, wie das Bündnis aus CSU und Freien Wählern im Volksmund bereits genannt wird.

AfD kritisiert andere      Fraktionen als „kleinkariert“

Bereits am Tag zuvor sorgte die Wahl des Landtagsvizepräsidenten für Verdruß bei der AfD. Deren Kandidat Ulrich Henkel hatte sich in letzter Minute zum Rückzug bereit erklärt. Grund: Er wolle keinen Eklat verursachen. Aber die Nominierung des Ersatzkandidaten Raimund Swoboda, immerhin ehemaliger Leitender Polizeidirektor, nutzte der Partei nichts. Nur 27 von 204 gültigen Stimmen erhielt der Mittelfranke.

Damit stimmten alle Fraktionen mehrheitlich gegen ihn. Umgekehrt hielt sich die AfD an das zuvor von Alterspräsident Helmut Markwort (FDP) geforderte Fair play. Die Fraktion stimmte mehrheitlich für Ilse Aigner (CSU) als neue Landtagspräsidentin. Sie erhielt 198 von 205 Stimmen. „Wir werden Sie mit demselben Respekt begleiten, den Sie uns entgegenbringen“, sagte die AfD-Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner am Dienstag in der Parlamentsdebatte. „Sie verweigerten einem Mann die Ehre, der 43 Jahre lang seinen Dienst als Polizeibeamter geleistet hat. “ Das sei kleinkariert und beschämend gewesen, ergänzte die Niederbayerin. 

Die 22 neuen Parlamentarier der AfD mußten sich nach der Wahl Aigners von der oberbayerischen CSU-Bezirkschefin sogar noch die Leviten lesen lassen. „Der Bayerische Landtag vertritt alle Menschen in Bayern, ganz egal, woher sie kommen, welche Hautfarbe sie haben oder welche Religion sie ausüben“, sagte sie am Montag nach ihrer Wahl. Das war auch für alle Verfassungsexperten, die bisher von der Annahme ausgingen, der Bayerische Landtag sei die Vertretung der bayerischen Bürger und nicht die „aller Menschen in Bayern“, politisches Neuland.

Und Aigner legte noch einen drauf: „Die Zusammenarbeit in diesem Parlament erfordert die Akzeptanz der Werte, auf denen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung fußt“, sagte sie. Dies erfordere „ein uneingeschränktes Ja zu unserem Rechtsstaat und ein klares Nein zu Extremismus jeder Art, zu Antisemitismus, zu Rassismus, zu Intoleranz gegenüber Minderheiten“. Subtiler ging es kaum.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze nannte im Landtag die Koalitionäre ein „Bündnis der Mutlosen“. Dabei könnte sie sich freuen. Auch ohne Regierungsbeteiligung dominieren grüne Akzente den Koalitionsvertrag. Bayern könne „grüner werden auch ohne die Grünen“, gab Söder als Marschrichtung vor. Das schlug sich im Koalitionsvertrag nieder. Die dritte Startbahn des Franz-Josef-Strauß-Flughafens wird die nächsten fünf Jahre auf Eis gelegt. Den Flächenverbrauch will Schwarz-Orange von 13 auf fünf Hektar pro Tag reduzieren. Der Klimaschutz soll in die bayerische Verfassung aufgenommen werden. Nichts findet sich in dem Papier hingegen zu den Stromtrassen, die besonders im Norden des Freistaats bei vielen Menschen Ängste wecken. 

Neben der Umweltpolitik stellt die Familienpolitik einen weiteren Schwerpunkt der neuen Regierung dar. Die Freien Wähler waren im Wahlkampf mit der Forderung aufgetreten, Kitas beitragsfrei zu stellen. Am Ende einigte man sich mit der CSU auf einen Zuschuß von 100 Euro ab dem 2. Lebensjahr, zweckgebunden für die Krippenbetreuung. Das noch von der CSU-Alleinregierung beschlossene Familiengeld wird nicht angetastet. Weiterhin gibt es 250 Euro für das erste und zweite sowie 300 Euro ab dem dritten Kind.