© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/18 / 09. November 2018

Aus dem Spiel genommen
Stasi-Gedenkstätte: Kündigung von Hubertus Knabe wirft weitere Fragen auf / Staatsministerin Grütters in der Kritik
Peter Möller

Der Streit um die Absetzung des Direktors der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, geht in die nächste Runde. Knabe, der am 25. September vom Stiftungsrat beurlaubt und dem zum 31. März 2019 gekündigt wurde, da er angeblich nicht energisch genug gegen Vorwürfe wegen sexueller Belästigungen durch den stellvertretenden Gedenkstättenleiter Helmuth Frauendorfer vorgegangen ist, wehrt sich nun juristisch gegen seinen Rauswurf (JF 41/18). Doch das erweist sich als schwierig: Knabe hatte vor dem Arbeitsgericht Klage gegen seine Entlassung eingereicht. Aber den von ihm angestrebten Gütetermin wird es vorerst nicht geben. Denn die Anwältin der Gedenkstätte hält das Gericht überhaupt nicht für zuständig: Als Vorstand der Stasi-Gedenkstätte sei Knabe kein einfacher Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, sondern auch ein sogenanntes Organ der Stiftung. Der Stiftungsrat könne ihm daher durchaus das Vertrauen entziehen. 

Nach dieser Lesart wäre nicht das Arbeits-, sondern das Verwaltungsgericht zuständig. Für den geschaßten Direktor der Gedenkstätte wären das keine guten Aussichten. Denn laut Stiftungssatzung beruft oder entläßt das Aufsichtsgremium den Vorstand, also den Direktor. Knabes Absetzung könne demnach also durchaus rechtens sein.

Kündigung Knabes     „nicht hinnehmen“

Vor allem Vertreter der Opposition aus CDU, AfD und FDP in Berlin sowie zahlreiche SED-Opfer sehen in der Absetzung Knabes indes den Versuch von Linkspartei sowie Teilen der SPD und der Grünen, den unbequemen Knabe, der sich und die Gedenkstätte immer wieder auch gegen den Linksextremismus in Stellung gebracht hat, aus dem Spiel zu nehmen.

Mitte Oktober hatte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), die im Bund für die Gedenkstätte zuständig ist und sich zum Entsetzen vieler ihrer Parteifreunde für Knabes Kündigung ausgesprochen hatte, versucht, dem Verdacht entgegenzutreten, die von Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) betriebene Entlassung Knabes sei das Ergebnis einer von langer Hand geplanten Intrige gewesen. Die Vorwürfe gegen den stellvertretenden Direktor Frauendorfer nannte sie schwerwiegend. „Hubertus Knabe hatte wiederholt und mehrfach Gelegenheit, sich dazu zu äußern und darauf zu reagieren“, sagte sie. Grütters versicherte, die Entscheidung, Knabe zu kündigen, sei allen schwergefallen. Eine Einschätzung, die vor allem mit Blick auf Kultursenator Lederer nur die wenigsten teilen dürften.

So wollen etwa die ostdeutschen CDU-Bundestagsabgeordneten die Kaltstellung des Gedenkstättendirektors nicht hinnehmen. Nach einem Gespräch mit Grütters sagte Fraktionsvize Arnold Vaatz, sie habe wesentliche Fragen etwa nach einem angeblichen strukturellen Sexismus in der Gedenkstätte oder nach rechtlichem Gehör für Knabe nicht beantwortet. Er werde dessen Kündigung und sofortige Beurlaubung nicht einfach hinnehmen und weiter auf Aufklärung dringen, kündigte Vaatz gegenüber der JUNGEN FREIHEIT an. Teilnehmer des Gesprächs zeigten sich über dessen Verlauf empört, meinten, Grütters habe „zusammenhangloses Zeug geredet“. Es wurde auch der Verdacht geäußert, die Staatsministerin sei Kultursenator Lederer kritiklos gefolgt. 

Unterdessen ist auch der private Förderverein der Gedenkstätte in schweres Fahrwasser geraten. Mit dem ehemaligen Berliner Justizsenator Wolfgang Wieland (Grüne), dem früheren Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Lukas Beckmann, dem Mitbegründer der Ost-SPD in der DDR, Stefan Hilsberg, und dem Journalisten und CDU-Mitglied Gerald Praschl kehrten Mitte Oktober vier prominente Mitglieder dem Verein den Rücken. Ihr Vorwurf lautet, der Verein distanziere sich nicht ausreichend von der AfD.

Unter den rund 200 Mitgliedern des Vereins sorgen diese Vorwürfe mehrheitlich für Kopfschütteln. Hier werden die prominenten Austritte vielmehr als bewußter Versuch der rot-grünen Ex-Politiker gewertet, den Förderverein öffentlich zu beschädigen. Zugleich zeige ihr Veralten die Unfähigkeit, demokratische Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren. Praschl war zuvor bei der Vorstandswahl des Vereins durchgefallen. Dennoch sei den Ausgetretenen das Angebot zur Zusammenarbeit gemacht worden, Wieland sei sogar als zweiter Vorsitzender im Gespräch gewesen. Hinter vorgehaltener Hand sind nicht wenige Mitglieder alles andere als unglücklich über die Abgänge. Für die inhaltliche Arbeit seien diese kein Verlust, heißt es. Der Verein hofft nun, mit dem als unideologisch eingeschätzten neuen Vorstand, der mit Zweidrittelmehrheit gewählt wurde, die Turbulenzen endgültig zu überwinden. Mittlerweile seien bereits wieder mehr Anträge auf Mitgliedschaft zu verzeichnen.