© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/18 / 09. November 2018

Knapp daneben
Unterwegs zum Paradies
Karl Heinzen

Stefan Liebing und Angelina Jolie sind sich wohl noch nie persönlich begegnet. Dennoch eint den Vorsitzenden des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft und die Filmschauspielerin eine gemeinsame Leidenschaft. Sie erkennen, daß es da draußen in der Welt sehr viele Menschen gibt, denen es nicht so gut wie ihnen selbst geht. Da muß doch etwas zu machen sein, sagen sie sich, und jeder versucht auf seine Weise, uns dem Paradies endlich ein klein wenig näher zu bringen.

Angelina Jolie hat sich dabei im Laufe der Jahre auf die Problemfelder Menschenrechte und Flüchtlinge spezialisiert. Ist sie gerade einmal nicht mit Filmproduktionen, Scheidungsquerelen oder neuen Tätowierungen ausgelastet, jettet sie um den Globus und muntert als Sondergesandtin der Vereinten Nationen verzweifelte Menschen durch ihre bloße Anwesenheit auf. Ab und zu kehrt sie mit einem Mitbringsel zurück. Das große Los, ihr Familienglück in wechselnden Beziehungskonstellationen bereichern zu dürfen, zogen bereits drei Adoptivkinder aus Kambodscha, Äthiopien und Vietnam. Zu ihnen scheint sich nun bald ein kleiner Junge aus Syrien gesellen zu dürfen.

Wir sind am Ziel, wenn afrikanische Unternehmen in Deutschland investieren und Arbeitsplätze schaffen.

Ohne Glamour kommt Stefan Liebing bei seinen guten Werken aus. Sie sind deshalb aber nicht weniger effektiv. „Viel Arbeit liegt vor uns“, schrieb er kürzlich im Handelsblatt. Mit „uns“ waren offenbar die Afrikaner gemeint. Sie sind jung und hochmotiviert. Was hindert also deutsche Unternehmen daran, auf unserem südlichen Nachbarkontinent zu investieren und ganz ganz viele Arbeitsplätze zu schaffen? 

Wo andere arbeiten, läßt es sich gut leben. Diese alte Wohlstandsformel hat auch Jolie und Liebing so gutsituiert werden lassen, daß sie ihre Gedanken auf Bedürftige richten können. Wann werden sie sagen dürfen: Wir sind am Ziel? Genau dann, wenn afrikanische Unternehmen in Deutschland Arbeitsplätze schaffen und syrische Filmstars amerikanische Waisenkinder adoptieren. Dieses Ziel wäre illusorisch, wenn dazu die anderen so werden müßten wie wir. Es läßt sich aber auch dadurch erreichen, daß wir so werden wie die anderen.