© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/18 / 09. November 2018

Geld gemacht aus Strom
Interview: Mathias Pellack hat mit dem Kommunikationswirt Aaron Koenig, Autor des Buches „Crypto­coins – Investieren in digitale Währungen“, über deren Zukunft gesprochen
Mathias Pellack

Herr Koenig, der Bitcoin ist nach seinem Höhenflug im Dezember 2017 stark eingebrochen. Glauben Sie, daß diese Kryptowährung in der sich schnell entwickelnden IT-Welt noch eine Chance hat?

Koenig: Eine Preisentwicklung wie in den letzten Monaten konnte man bei Bitcoin schon mindestens fünfmal beobachten: Der Preis schießt steil nach oben und stürzt dann wieder ab, allerdings auf ein deutlich höheres Niveau als vor der Rallye. Dann dümpelt der Kurs einige Zeit vor sich hin, bis sich dieser Prozeß wiederholt. Als der Kurs von 200 Dollar auf 50 abstürzte oder von 1.000 Dollar auf 200 haben die Medien den Bitcoin auch schon für tot erklärt. Da bin ich ganz entspannt. Es gibt natürlich keine Garantie, daß sich dieses Muster auch in Zukunft wiederholen wird, aber ich halte es für sehr wahrscheinlich.

Wie wird die Entwicklung weitergehen?

Koenig: Das Potential von Bitcoin ist ja bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Erst ein paar Millionen Menschen auf der Welt benutzen Bitcoin. Aber es gibt viele Milliarden Menschen, die kein Bankkonto haben, vor allem in Entwicklungsländern. Sehr viele von ihnen haben aber ein Smartphone mit Internetzugang – und mehr braucht man heute nicht, um an der globalen Wirtschaft teilzunehmen. Wenn diese vielen Menschen Kryptowährungen für sich entdecken, werden uns die heutigen Kurse als Schnäppchen erscheinen.

In der Zwischenzeit hat Venezuela den Petro herausgegeben, und auch der Iran hat angekündigt, sich mit Hilfe einer Kryptowährung aus der Abhängigkeit vom US-Dollar lösen zu wollen. Kann das funktionieren? Was halten Sie davon?

Koenig: Es geht bei Kryptowährungen darum, das Geldmonopol des Staates abzuschaffen. Regierungen sollten sich aus der Geldschöpfung ganz zurückziehen. Es ist geradezu grotesk, wenn mit Venezuela und dem Iran zwei der Staaten, deren Regierungen man am wenigsten vertrauen kann, eigene Cryptocoins herausbringen. Da fände ich ich ja sogar einen Merkelcoin attraktiver.

Die Welt der Technick entwickelt sich ja rasant. Gibt es da nicht mittlerweile andere, interessantere Projekte für elektronische Währungen? 

Koenig: Es kann natürlich sein, daß nicht der Bitcoin selbst zum allgemeinen Zahlungsmittel wird, sondern einer seiner über hundert Konkurrenten. Wir haben es ja zum Glück mit einem echten Wettbewerb der Währungen zu tun, so wie ihn schon Friedrich August von Hayek gefordert hat. Es gibt durchaus einige Konkurrenten, die in mancher Hinsicht überlegen sind. Bei Monero und Z-Cash ist etwa die Privatsphäre besser geschützt. Dash macht deutlich schnellere Überweisungen möglich und hat ein sehr interessantes System, um Entscheidungen in einem dezentralen Netzwerk zu treffen. Das ist das Schöne an einem freien Wettbewerb, bei dem keiner gezwungen werden kann, ein bestimmtes Produkt zu benutzen. Die besten Cryptocoins werden sich dabei durchsetzen, davon bin ich überzeugt.

Im Jahr 2018 sollen Cryptocoins im Wert von einer Milliarde Dollar gestohlen worden sein.

Koenig: Natürlich können Cryptocoins gestohlen oder Börsen gehackt werden. Unsicher sind sie aber keineswegs. Oder würden Sie den Euro anzweifeln, wenn eine Bank ausgeraubt wird? Es gibt genug Gründe, den Euro in Frage zu stellen, aber Diebstahl gehört sicher nicht dazu. Man muß sich beim Bitcoin allerdings daran gewöhnen, selbst für die Sicherheit verantwortlich zu sein und keinem Dritten zu vertrauen, denn das ist das Grundprinzip aller Kryptowährungen. Wenn man das Diebstahlrisiko vermeiden möchte, sollte man seine Coins niemals bei einem Drittanbieter wie einer Börse speichern, sondern die Schlüssel, die den Zugang zu ihnen geben, selbst verwahren.

Für den Otto Normalverbraucher klingt das  vielleicht kompliziert. Gibt es Möglichkeiten, am Wachstum teilzuhaben, ohne die Cryptocoin sselbst zu kaufen?

Koenig: Wenn Sie wollen, können Sie auch in Firmen investieren, die die Blockchain-Technologie weiterentwickeln, oder in Fonds, die für Sie in Cryptocoins investieren. Das Risiko ist dabei allerdings keineswegs geringer, denn in beiden Fällen muß man ja Dritten vertrauen. Wer auf Nummer Sicher gehen will, ist mit dem Direktinvestment in etablierte Cryptocoins wie Bitcoin, Dash oder Monero besser bedient.

Welche Verwahrungsmöglichkeiten gibt es? Welches ist die beste? Welche hat Vorteile?

Koenig: Wie gesagt, man sollte seine Coins niemals auf einer Börse oder irgendeiner Website speichern, sondern auf einem Gerät, über das man die volle Kontrolle hat. Das kann der eigene Computer sein, der aber Computer natürlich gehackt werden kann. Daher würde ich eine sogenannte Hardware-Wallet anschaffen, die man an seinen Computer anschließt. Die bekanntesten heißen Trezor, Ledger und Keep Key. Sie unterscheiden sich in Handhabung und Sicherheit nur wenig.

Wie funktioniert eine Sicherung der Kryptocoins?

Koenig: Auf einer Hardware-Wallet sind die Schlüssel gespeichert, mit denen man seine Überweisungen bestätigt. Hacker können dort nicht eindringen, weil sie nicht mit dem Internet verbunden ist. Das funktioniert relativ simpel und benutzerfreundlich. Sogar ich habe das verstanden, und ich bin alles andere als ein Computerfreak.

Herr Koenig, vielen Dank für das Gespräch.






Aaron Koenig produziert Werbe­filme für Bitcoin-Unternehmen und schreibt Bücher über Krypto­währungen. Er meint: „In einem Goldrausch ist es bekanntlich am besten, wenn man die Schaufeln und Spitzhacken verkauft. Und ­viele Kryptofirmen brauchen Filme, die erklären, was sie tun.“