© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/18 / 16. November 2018

Faule Deals im Bendlerblock
Bundeswehr: Neue Details zum Einsatz externer Berater im Verteidigungsministerium / Untersuchungsausschuß wird wahrscheinlicher
Peter Möller

Für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kann Berlin dieser Tage vermutlich gar nicht weit genug entfernt sein. Denn in Berlin sieht sie sich fast täglich mit neuen Fragen zur Berateraffäre in ihrem Ministerium konfrontiert (JF 44/18). Eine Dienstreise kommt da gerade recht: Am vergangenen Wochenende brach von der Leyen nach Westafrika auf. Auf dem Programm standen Visiten bei deutschen Einheiten in Mali und Niger, die sich am Kampf gegen islamistische Terroristen beteiligen.

In Deutschland rückte unterdessen erneut die auffallend enge Zusammenarbeit des Verteidigungsministeriums mit der Unternehmensberatung McKinsey in den Mittelpunkt. In der Affäre um den Einsatz von externen Beratern im Bendlerblock, für die das Verteidigungsministerium allein 2016 134 Millionen  Euro ausgegeben hat, spielt McKinsey eine ganz besondere Rolle. Nicht nur, weil zwei ihrer Kinder für die Firma tätig sind und ihre einstige Staatssekretärin Katrin Suder vor ihrem Wechsel in das Ministerium ebenfalls bei McKinsey beschäftigt war.

Die Forderung nach Konsequenzen wird lauter

Nach einem Bericht des Spiegel war das Beratungsunternehmen in mehreren Fällen bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen von anderen Firmen als Subunternehmer ins Boot geholt worden – ohne jede weitere Ausschreibung und Kontrolle. Seit 2014 habe McKinsey so rund zehn Millionen Euro an Beratungshonoraren aus dem Verteidigungsministerium kassiert. An erster Stelle steht dabei laut Spiegel das geplante Mehrzweckkampfschiff 180 (MKS180), das sich unter anderem durch eine europaweite Ausschreibung seit Jahren verzögert.

Bereits in der vergangenen Woche war der Einsatz der externen Berater an gleich drei Tagen Thema im Bundestag. Die beiden Staatssekretäre von der Leyens, Gerd Hoofe und Benedikt Zimmer, mußten sich am Montag und Dienstag im Haushaltsausschuß den Fragen der Abgeordneten stellen. Dabei ging es um die Vorwürfe des Bundesrechnungshofes, das Verteidigungsministerium habe zahlreiche Aufträge an Unternehmensberater und Anwaltskanzleien vergeben, ohne daß dafür eine Notwendigkeit bestanden habe. Zudem habe die vergaberechtliche Grundlage gefehlt, und es sei keine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgenommen worden. Der Erkenntnisgewinn für die Abgeordneten hielt sich indes offenbar in Grenzen. Vielmehr wurden sie in ihrem Eindruck bestärkt, daß die Berater im Ministerium teilweise ein bedenkliches Eigenleben entfaltet haben und eigenständig neue Aufträge für externe Firmen an Land geholt haben könnten.

Angesichts der nicht abreißenden Enthüllungen in der Berateraffäre wächst der Druck des Bundestages auf von der Leyen. Noch vor den jüngsten Berichten war die AfD-Fraktion in der vergangenen Woche in die Offensive gegangen und hatte im Verteidigungsausschuß einen Antrag für einen Untersuchungsausschuß vorgelegt. „Die offenbar rechtswidrige Vergabe von Beraterverträgen nimmt immer größere Ausmaße an. Nicht nur, daß Steuergelder in Millionenhöhe möglicherweise verschwendet wurden, es liegen auch starke Indizien vor, daß sich in von der Leyens Ministerium eine Vetternwirtschaft etabliert hat“, begründete der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rüdiger Lucassen, den Vorstoß. Auch McKinsey gerät dabei ins Visier: Zentrale Figur in von der Leyens Beratersumpf scheine die ehemalige Staatssekretärin Katrin Suder zu sein. „Immer wieder tauchen Namen aus dem Beraternetzwerk der ehemaligen McKinsey-Topfrau auf. Diese persönlichen Verstrickungen und möglichen Vorteilsnahmen müssen vollumfänglich aufgeklärt werden. Dafür brauchen wir einen Untersuchungsausschuß“, sagte Lucassen.

Auch die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, erhöhte  den Druck auf von der Leyen und forderte von der Ministerin weitere Auskünfte und Dokumente. „Wenn das nicht passiert“, komme man „um einen Ausschuß nicht herum“. Bei Grünen und der Linkspartei scheint die Bereitschaft gewachsen zu sein, einer parlamentarischen Untersuchung der Vorwürfe zuzustimmen. „Wir sind einem Untersuchungsausschuß heute leider einen Schritt näher gekommen“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner, nach dem nicht nur in seinen Augen unbefriedigenden Auftritt von der Leyens im Verteidigungsausschuß in der vergangenen Woche. Den Oppositionsparteien reicht es offenbar nicht mehr, daß die Ministerin nach jeder neuen Enthüllung in der Berateraffäre Fehler ihres Hauses eingesteht. Die Stimmen, die fordern, daß endlich Konsequenzen gezogen werden, werden immer lauter.

Aufmerksam ist in diesem Zusammenhang von politischen Beobachtern in Berlin registriert worden, daß sich auch der Rückhalt für von der Leyen in den eigenen Reihen in der Affäre in Grenzen hält. Zu oft, so heißt es in Berlin, habe sie Parteifreunde durch ihr als selbstherrlich empfundenes Agieren vor den Kopf gestoßen. Wie sehr der Stern von der Leyens in der eigenen Partei, aber auch in der öffentlichen Wahrnehmung bereits gesunken ist, wurde bei der Diskussion um die Nachfolge von Angela Merkel als Parteivorsitzender deutlich: Der Name der Verteidigungsministerin spielte dabei schon keine Rolle mehr.