© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/18 / 16. November 2018

CD-Kritik: Joyce DiDonato
Frauenbilder
Jens Knorr

Es war ein mutiges, ein feiges Programm, das Joyce DiDonato und das Brentano String Quartet vier Tage vor Heiligabend 2017 in der Londoner Wigmore Hall präsentierten. DiDonato lotst ihren fast vollkommenen Mezzosopran, fähig zu feinen Abstufungen und erregenden Exuberanzen, sicher an allen Klippen vorbei, welche ausgewählte Strauss-Lieder und drei Chansons aus Debussys „Chansons de Bilitis“, für Streichquartett arrangiert, bereithalten. In die Versammlung gefährdeter Hausfrauen- und erfrorener freier Liebe hinein zwingt der US-amerikanische Komponist Jake Heggie die Tragödie der Camille Claudel, Schülerin, Geliebte, Konkurrentin des Bildhauers Rodin und als Verstoßene ein psychiatrischer Fall. Der eigens für DiDonato und das Brentano String Quartet komponierte Zyklus „Into the fire“ überzieht Texte von Gene Scheer mit zartbitter-süßer Streichmusik: eine Heimholung in musikalisch dürftigem Retroromantik-Chic, die aus der Dissoziation Claudels noch emotionalen Mehrwert saugt. Der Zyklus wiederholt Straussens Spiel mit trügerisch glatter Oberfläche, kann aber dieses Mal das Tiefe darunter nicht entbergen, weil da gar kein Tiefes versteckt ward.

Doch wenn DiDonato sie besingt, berauschen all die gestrichenen Frauenbilder aus Märchenzeit, da Dur und Moll noch geholfen haben, wieder unsere Sinne.

Joyce DiDonato Into the fire Warner Classics 2018  www.joycedidonato.com