© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/18 / 23. November 2018

Ländersache: Mecklenburg-Vorpommern
Zoff um den Königsstuhl
Paul Leonhard

Der Königsstuhl, ein mächtiger Kreidefelsen, gilt als Wahrzeichen der Ostseeinsel Rügen. 118 Meter hoch, stellt er die höchste Spitze des Vorgebirges Stubbenkammer dar. Seit 2004 herrscht am Eingang zum Nationalpark Jasmund die Naturschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF). Sie betreibt das Nationalparkzentrum. Wer die 200 Quadratmeter große Plattform des Königsstuhls betreten und einen Blick auf die Küste Rügens werfen möchte, muß Eintritt zahlen. Bei jährlich rund 300.000 Besuchern ein lohnendes Geschäft. 

Denn löhnen müssen nicht nur diejenigen Gäste, die vom gebührenpflichtigen Großparkplatz in Hagen mit dem gebührenpflichtigen Shuttlebus anreisen, sondern auch Wanderer, die sich für den elf Kilometer langen Hochuferweg von Saßnitz aus entscheiden – ob sie die Angebote des Nationalparkzentrums wahrnehmen oder nicht. Das ist politisch gewollt. Man habe einen Informationsauftrag, sagt Mark Ehlers, Chef der Naturschutzparkzentrum GmbH, gegenüber dem Nordkurier. Die Besucher sollen die Ausstellung besuchen, damit sie „wissen, daß es hier neben dem imposanten Blick vom Königsstuhl noch viel mehr zu entdecken gibt“. Dafür würden gern die 9,50 Euro Eintritt bezahlt.

Im Internet liest sich das anders. Da schimpfen Besucher über Geldabzocke und Zwangsbelehrung. Und es formiert sich Widerstand. Ein Auslöser ist die Sperrung einer kostenfrei begehbaren Treppe, die 200 Jahre lang südlich des Königsstuhls über 412 Stufen zum Strand führte. 1996 wurde sie mit Steuergeldern erneuert, vor zwei Jahren jedoch durch einen umgestürzten Baum schwer beschädigt. Im Herbst 2017 beschloß das Schweriner Umweltministerium den Abbau. 

Gegen eine Sanierung der Holztreppe spreche das Haushaltsrecht, sagt Ingolf Stodian, Landesbeamter in der Außenstelle Jasmund, gegenüber dem Deutschlandfunk. Steuerfinanzierte Investitionen solcher Bauten seien nur zugelassen, wenn sie langfristig halten. Davon sei jedoch bei der für rund 400.000 Euro geplanten Erneuerung der Holztreppe nicht auszugehen. Zu stark würden Wind und Wasser die Kreidefelsen und das Strandufer anfressen. Statt dessen will die Landesregierung für sieben Millionen Euro eine 90 Meter lange Stahlseilbrücke bauen, die als Rundweg in Ellipsenform über dem Königsstuhl schwebt. Gegen diesen sogenannten Königsweg machen Bürgerinitiativen Front. Höhepunkt des Streits ist die Nichtanerkennung einer Unterschriftensammlung für einen Bürgerentscheid, weil der Bürgermeister von Saßnitz die Zahl der Wahlberechtigten um fast 2.000 zu niedrig angegeben hatte. Damit entsprachen die gesammelten 805 Unterschriften nicht den erforderlichen zehn Prozent. Soll so das Überleben des Nationalparkzentrums gesichert werden?

„Hier werden die Interessen der Bürger mit Füßen getreten“, findet der Bundestagsabgeordnete Leif-Erik Holm (AfD), der unter dem Motto „Abstieg oder Schwebebrücke auf dem Königsstuhl“ zur Diskussion in Lohme eingeladen hat. Zuvor hatten die Bürgerinitiativen Landtags- und Bundestagsabgeordnete um Hilfe gebeten. Während die Bürgerinitiative „Bewahrt Lohme“ per offenem Brief Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) um Unterstützung bittet, regt Holm nun eine Demonstration vor dem Schweriner Landtag an.