© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/18 / 23. November 2018

Der „Rendi-Effekt“ bleibt aus
Österreich: Die designierte SPÖ-Chefin Rendi-Wagner verbreitet noch keine Aufbruchstimmung
Curd-Torsten Weick

Schon ganz Genossin reckt sie gern schon mal die Faust in die Höhe. Doch über Stallgeruch verfügt Joy Pamela Rendi-Wagner, die nach dem überraschenden Rücktritt von Christian Kern nun am Wochenende zur SPÖ-Chefin gekürt werden soll, wenig. Erst im Frühjahr 2017, im Zuge ihrer Ernennung zur Bundesministerin für Gesundheit und Frauen in der SPÖ/ÖVP-Regierung, trat sie der Partei bei. Entsprechend sucht die Ärztin ihr Heil darin, sich als Kind der Kreisky-Ära darzustellen. Die 47jährige preist die sozialdemokratischen Errungenschaften wie die Gemeindebauten und die öffentlichen Kindergärten und Schulen, denen sie nicht nur beruflich alles zu verdanken habe. 

SPÖ-Lieblingsgegner: die 60-Stunden-Woche

Pech allerdings, wenn sie im Gespräch mit dem Standard zugeben muß, ihre Kinder auf eine Privatschule zu schicken. „Ich war ein paar Jahre in Israel und mußte binnen drei Monaten einen Volksschulplatz für meine Tochter finden“, erklärt sie. Überhaupt sei für sie immer klar gewesen, daß „sich Beruf und Kinder nur dann gut ausgehen, wenn sie eine Ganztagsschule besuchen“. Nur habe sie damals gemerkt: „Wir haben viel zuwenig Ganztagsschulen“ in Wien. Ein Rüffel für die SPÖ, denn die stellt seit 1945 durchgehend den Bürgermeister in der Hauptstadt.

„Die Kür von Pamela Rendi-Wagner zur SPÖ-Chefin ist ein Wagnis“, titelt dann auch das Online-Nachrichtenportal „Salzburg 24“. Dies gelte um so mehr, als Rendi-Wagner nicht zufällig vom „Bobo-Flügel“ in der Partei hofiert werde, „Gutverdienern in idealen Wohnlagen mit rot-grünen Tendenzen – also nicht unbedingt die Klientel, die Gewerkschaften, burgenländische SPÖ und der gerade dominante Teil der Wiener Sozialdemokraten anpeilen“, so die Salzburger. 

Doch aus dem Burgenland sind versöhnliche Töne zu vernehmen. „Es ist wichtig, daß wir geschlossen in die Zukunft gehen. Wir haben Gespräche geführt, auch mit den anderen Bundesländern, und für uns hat sich herauskristallisiert, daß Rendi-Wagner optimal dafür geeignet wäre, die Partei nun anzuführen“, erklärte SPÖ-Landesgeschäftsführer Christian Dax. 

Angriffsziel der 47jährigen ist, neben dem Erhalt des Rauchverbots in der Gastronomie und dem Frauen-Volksbegehren für die Gleichstellung der Frau, vor allem der eingeführte freiwillige 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche. „Wenn in Wien einer Hilfsköchin gekündigt wird, weil sie keine zwölf Stunden arbeiten kann, ist mir das nicht egal“, betont sie und fordert die ÖVP/FPÖ-Regierung auf: „Weg mit dem verpfuschten Arbeitszeitgesetz und zurück an den Start!“ 

Dies wertet der ÖVP-Fraktionsvorsitzende August Wöginger als „unbegründete Panikmache“. Die SPÖ stelle alles als „Teufelswerk“ dar, was sie nicht selbst mitverhandelt habe. Die vehemente Behauptung, es werde ein 12-Stunden-Tag und eine 60-Stunden-Woche eingeführt, sei nicht richtig. Dabei, so Wöginger weiter, ignoriere die Opposition bewußt, daß die Stundenanhebung ohnehin nur für eine gewisse Anzahl an Wochen im Jahr möglich sei. Das „Prinzip der Freiwilligkeit“ sei noch nie so klar wie jetzt im Gesetz verankert gewesen. 

Panikmache oder nicht. „Warten auf den ‘Rendi-Effekt’, hieß es Anfang der Woche bei der Kleinen Zeitung. Die Wachablösung habe noch keinen Niederschlag in Umfragen gefunden. „Als Kurz, Pröll, Mitterlehner, Spindelegger kamen, gingen die Umfragen nach oben.“ Nun stagniere die SPÖ. Sie liege zwar stabil bei 26 bis 28 Prozent sicher auf Platz zwei, aber deutlich hinter der ÖVP.