© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/18 / 23. November 2018

„Technologisch nicht machbar“
Lkw-Hersteller: Die nächste europäische Schlüsselindustrie muß dank Klima-Ideologie um ihre Zukunft bangen
Carsten Müller

Während in Deutschland Diesel-Fahrverbote und in Frankreich eine exorbitante Krafstoffsteuererhöhung für Aufregung sorgen, wird auf europäischer Bühne nach den Pkw-Produzenten (JF 43/18) die nächste Schlüsselbranche ins Visier genommen: Vorige Woche beschlossen die EU-Parlamentarier verschärfte Emissionsvorschriften für Nutzfahrzeuge. Die Lkw-Hersteller sollen dazu verpflichtet werden, den derzeitigen CO2-Ausstoß für Neufahrzeuge bis 2025 um 20 und bis 2030 um 35 Prozent zu verringern.

Selbst wenn der Rat der EU-Umweltminister Details vor der Europawahl 2019 noch entschärfen sollte, ist das EU-Ziel klar: Bis 2050 sollen die Emissionen im Verkehrsbereich „um mehr als 60 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 gesenkt werden“. Zwar lasse sich „der Schwerlastverkehr nicht vollständig auf Strom umstellen“, dennoch ließen sich kurzfristig Emissionssenkungen durch eine Verbesserung der Kraftstoffeffizienz erzielen, heißt es in der EU-Strategie „CO2-arme Wirtschaft bis 2050“.

Während sich bei Pkws mit Plug-in-Hybrid-Antrieb – Benziner, die einige Kilometer rein elektrisch fahren können – dank unrealistischer Testzyklen Politikern und Medien eine Halbierung des Spritverbrauches vorgaukeln läßt, ist im Nutzfahrzeugsektor die CO2-Mogelei weit schwieriger: Kraftstoffkosten und Fahrstrecken werden allein schon aus steuerlichen Gründen sehr genau erfaßt.

Werden die EU-Zielwerte nicht erreicht, drohen den Lkw-Herstellern Strafzahlungen: 5.000 Euro pro Fahrzeug je Gramm des überhöhten CO2-Testzyklusausstoß. Bei einem Preis von etwa 100.000 bis 200.000 Euro pro Fahrzeug würde dies entweder zu höheren Preisen für Transportunternehmer und/oder zu Verlusten bei der Autoindustrie führen. „Würde ein Hersteller von 50.000 Fahrzeugen das Ziel um zehn Prozent verfehlen, könnten Strafzahlungen in Milliardenhöhe anfallen“, warnt Bernhard Mattes, Chef des Autoindustrieverbandes VDA. Die EU-Vorgaben seien „technologisch und wirtschaftlich in der anvisierten Zeit nicht umsetzbar“.

Und noch wichtiger: 13,3 Millionen Europäer arbeiten in der Autoindustrie. Das sind 6,1 Prozent aller EU-Beschäftigten. Im Produktionssektor sind es mit 3,4 Millionen Stellen über elf Prozent der Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe. Die meisten Nutzfahrzeughersteller sind Teil großer Autokonzerne: MAN und Scania gehören zu Volkswagen, Renault Trucks zu Volvo/Geely (China).

Im Transportgewerbe herrscht auch ohne EU ein gnadenloser Konkurrenzkampf: Kraftstoffeffizienz, Ladekapazität und Belastbarkeit spielen die entscheidende Rolle. Hinzu kommt der globale Wettbewerb in dem Markt von 3,3 Millionen Nutzfahrzeugen über sechs Tonnen Nutzlast. Zwar ist Daimler Trucks (mit Marken wie Mercedes, Freightliner oder Mitsubishi Fuso) mit einem Absatz von etwa 400.000 Weltmarktführer bei mittelschweren und schweren Lkws. Auf den Plätzen zwei bis vier liegen chinesische Konzerne: FAW, Dongfeng, National Heavy Duty Truck.

Zahlreiche Zulieferer und Spezialausrüster

Erst auf Platz fünf folgt Volvo, gefolgt von der Tata Group (Indien). Auf Rang sieben liegt der US-Konzern Paccar, der Leyland und DAF übernommen hat. Die VW-Nutzfahrzeugsparte liegt mit  200.000 Lkws nur auf Rang neun. Die einst zu Fiat gehörende Marke Iveco, Magirus (Feuerwehrautos) sowie Steyr und New Holland (Traktoren) sind seit 2013 Bestandteil der europäischen Holding CNH Industrial. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr nur noch 18 Prozent der weltweit über 18 Millionen produzierten leichten bis schweren Nutzfahrzeuge in Europa hergestellt. Neu zugelassen wurden im vergangenen Jahr in der EU über 2,4 Millionen Nutzfahrzeuge – immerhin der höchste Wert seit 2008.

Die EU-Vorgaben betreffen aber nicht nur die global agierenden Massenhersteller, sondern auch eine eher kleinteilige, aber umfangreiche Zulieferer- und Weiterbearbeitungsindustrie. Viele Lkws, die bei Daimler, MAN oder Iveco vom Band laufen, werden durch andere Firmen an die individuellen Bedürfnisse der Kunden angepaßt. Es gibt energieintensive Kühlaufbauten, schwere Kräne und Kipper. Die CO2-Emission hängt daher auch entscheidend von der individuellen Ausstattung der Fahrzeuge ab. Die deutsche Firma Rosenbauer stellt seit mehr als 150 Jahren Feuerwehrlöschfahrzeuge her. Das Unternehmen hat heute 700 Mitarbeiter, die in Karlsruhe, Luckenwalde und Viersen jährlich 500 Feuerwehrautos produzieren. Die Basis liefern Iveco, Mercedes und MAN.

Rosenbauers erste E-Feuerwehr (Projekt eLHF), die ab 2021 in Berlin eingesetzt werden soll, ist aber eine von Senat und EU subventionierte Mogelei: „Das Fahrzeug wird neben dem Elektroantrieb auch einen klassischen Verbrennungsmotor besitzen, also ein sogenanntes Hybridfahrzeug sein. Mit dem Drei-Liter-Dieselmotor aus dem Pkw-Bereich sollen bei Bedarf die Akkus an der Einsatzstelle wieder aufgeladen und Aggregate über einen längeren Zeitraum betrieben werden“, schreibt das Feuerwehrmagazin.

Selbst E-Busse stoßen an Reichweitengrenzen – von der Heizung im Winter und der Klimatisierung im Sommer ganz zu schweigen. Der elektrische Fernkraftverkehr ist wegen der notwendigen tonnenschweren Batterie gänzlich unpraktikabel. Technisch machbar scheint ein System, das von den Oberleitungsbussen abgeschaut wurde: Vor sechs Jahren startete ein Pilotprojekt auf einem ehemaligen DDR-Militärflugplatz bei Berlin (JF 24/17). Kommendes Jahr soll dann der fünf Kilometer lange „eHighway“ auf der A 5 zwischen Darmstadt und Frankfurt seinen Betrieb aufnehmen. Dafür gab es Fördermillionen für Siemens und VW/Scania. Die Aufrüstung von nur 5.000 der 13.000 Kilometer des deutschen Autobahnnetzes würde mindestens zehn Milliarden Euro kosten.

Europäischer Automobilherstellerverband:  www.acea.be

EU-Strategie „CO2-arme Wirtschaft bis 2050“:  ec.europa.eu/